Inhaltsverzeichnis
- 01. Was bezeichnet man als „Maschinenfähigkeit“ bzw. „Prozessfähigkeit“ und mit welchen Kennwerten werden sie beschrieben?
- 02. Welchen Voraussetzungen müssen für die Ermittlung von Fähigkeitskennwerten vorliegen?
- 03. Wie werden Fähigkeitswerte ermittelt?
- 04. Welche Grenzwerte gelten für Fähigkeitskennzahlen?
- 05. Wie wird eine Annahme-Stichprobenprüfung durchgeführt?
01. Was bezeichnet man als „Maschinenfähigkeit“ bzw. „Prozessfähigkeit“ und mit welchen Kennwerten werden sie beschrieben?
Die „Fähigkeit“ C einer Maschine/eines Prozesses ist ein Maß für die Güte – bezogen auf die Spezifikationsgrenzen. Eine Maschine/ein Prozess wird demnach als „fähig“ bezeichnet, wenn die Einzelergebnisse innerhalb der Spezifikationsgrenzen liegen.
C = Streuungskennwert
Eine Maschine/ein Prozess wird als „beherrscht“ bezeichnet, wenn die Ergebnismittelwerte in der Mittellage liegen.
Ck = Lagekennwert
In der Praxis wird nicht immer zwischen Kennwerten der Streuung und der Beherrschung unterschieden; man verwendet meist generell den Ausdruck „Fähigkeitskennwert“ und unterscheidet durch den Index m bzw. p Maschinen- bzw. Prozessfähigkeiten sowie durch den Zusatz k die Kennzeichnung der Lage.
Die Untersuchung der Maschinenfähigkeit Cm, Cmk ist eine Kurzzeituntersuchung.
Die Untersuchung der Prozessfähigkeit Cp, Cpk ist eine Langzeituntersuchung.
Beide Untersuchungen verwenden die gleichen Berechnungsformeln; es werden jedoch andere Formelzeichen verwendet; es gilt:
Maschinenfähigkeit, MFU Prozessfähigkeit, PFU Ziel Erfassung des kurzzeitigen Streuverhaltens/des Bearbeitungsergebnisses einer Fertigungsmaschine unter gleichen Randbedingungen Erfassung des langfristigen Streuverhaltens-/des Bearbeitungsergebnisses einer Fertigungsmaschine unter realen Prozessbedingungen Rahmenbedingungen - betriebswarme Maschine
- eine Rohteilcharge
- keine oder minimierte Einflüsse
- Abnahme i. d. R beim Maschinenhersteller
- reale Prozessbedingungen
- reales Umfeld
- Abnahme beim Maschinenhersteller gefordert und vor Ort verifiziert
Vorgehensweise - 50 Teile hintereinander gefertigt
- Teile beschriften und sichern
- Merkmale messen und auswerten
- Fähigkeitindizes bestimmen
- über einen definierten Zeitraum sind ca. 25 Stichproben zu je 5 Teilen zu entnehmen
- Teile beschriften und sichern
- Merkmale messen
- evtl. Störeinflüsse in der Regelkarte eintragen
- Fähigkeitindizes bestimmen
Grenzwerte Streuung, Cm Lage, Cmk Streuung, Cp Lage, Cpk Cm ≥ 2,00 Cmk ≥ 1,66 Cp ≥ 1,33 Cpk ≥ 1,33 Hinweis
Einige Tabellenwerke enthalten zum Teil veraltete Grenzwerte!
Beispiel
Anschauungsbeispiel
zur Unterscheidung des Streuungskennwertes Cm, Cp und des Lagekennwertes Cmk, Cpk:
Beurteilung der Streuung/Fähigkeit des Prozesses:
Je kleiner s im Verhältnis zu T ist, desto größer wird der Fähigkeitskennwert C;
Beispiel: „Bei C = 1 muss der Pkw sehr genau in die Garage gefahren werden, wenn keine Schrammen entstehen sollen.“
Beurteilung der Qualitätslage/Beherrschung des Prozesses:
Ist der Mittelwert $$\bar{x}$$ optimal (Spur des Pkws), so ist C = Ck; bei einer Verschiebung des Mittelwertes (in Richtung OTG bzw. UTG) wird Ck kleiner, man läuft also Gefahr, die linke oder rechte Seite des Garagentores zu berühren.
02. Welchen Voraussetzungen müssen für die Ermittlung von Fähigkeitskennwerten vorliegen?
Die Merkmalswerte müssen normalverteilt sein. Der Prozess muss demnach frei von systematischen Fehlern sein; Schwankungen in den Messergebnissen sind also nur noch zufallsbedingt.
Häufig hat man heute durch die stetig anwachsende Komplexität der Prozesse und Maschinen nicht unbedingt normalverteilte Prozesse. Um trotzdem die C-Kennzahlen berechnen zu können wird überwiegend eine Statistik-Software verwendet.
03. Wie werden Fähigkeitswerte ermittelt?
Mittelwert $$\bar{x}$$ und Standardabweichung s der Stichprobe werden berechnet.
Der Toleranzbereich T (= OTG – UTG) wird ermittelt; er ist der Bauteilzeichnung zu entnehmen.
Der Streuungskennwert Cm bzw. Cp wird berechnet, indem der Toleranzwert T durch die 6-fache Standardabweichung (+/- 3s, also 6s) dividiert wird. Dies ergibt sich aus der Forderung, dass mit 99,73 %iger Wahrscheinlichkeit die Stichprobenteile innerhalb der geforderten Toleranzgrenzen liegen sollen.
$$C_{m} = \frac{T}{6s} \frac{OTG – UTG}{6s}$$
bzw.
$$C_{p} = \frac{T}{6s}$$
Der Lagekennwert Cmk bzw. Cpk wird berechnet, indem Zkrit durch die 3-fache Standardabweichung s dividiert wird:
$$C_{mk} = \frac{Z_{krit}}{3s}$$
bzw.
$$C_{pk} = \frac{Z_{krit}}{3s}$$
Dabei ist Zkrit der kleinste Abstand zwischen dem Mittelwert und der oberen bzw. unteren Toleranzgrenze; d. h. es gilt: $$Z_{krit}=min(OTG - \bar{x};\bar{x}-UTG)$$
also: $$Z_{krit}=OTG-\bar{x}$$
bzw. $$Z_{krit}=\bar{x}-UTG$$
04. Welche Grenzwerte gelten für Fähigkeitskennzahlen?
In der Industrie – insbesondere in der Automobilindustrie – gelten bei der Beurteilung der Fähigkeitskennzahlen folgende Grenzwerte:
Maschinenfähigkeit, MFU | Prozessfähigkeit, PFU | ||
Erfassung des kurzzeitigen Streuverhaltens/des Bearbeitungsergebnisses einer Fertigungsmaschine unter gleichen Randbedingungen | Erfassung des langfristigen Streuverhaltens-/des Bearbeitungsergebnisses einer Fertigungsmaschine unter realen Prozessbedingungen | ||
Streuung, Cm | Lage, Cmk | Streuung, Cp | Lage, Cpk |
Cm ≥ 2,00 | Cmk ≥ 1,67 | Cp ≥ 1,33 | Cpk ≥ 1,33 |
Hinweis
Einige Tabellenwerke enthalten zum Teil veraltete Grenzwerte! Es werden hier die aktuell gültigen Grenzwerte der Automobilindustrie verwendet.
Beispiel
Beispiel 1
Die Stichprobe aus einem Los von Stahlteilen ergibt eine mittlere Zugfestigkeit von $$\bar{x}$$
= 400 N/mm2 und eine Standardabweichung von s = 14 N/mm2. Es ist eine Toleranz von 160 N/mm2 vorgegeben. Zu ermitteln ist, ob die eingesetzte Maschine „fähig“ ist; dazu ist der Maschinenfähigkeitskennwert Cm zu berechnen:
$$C_{m} = \frac{T}{6s}$$
$$= \frac{160\; N/mm_{2}}{6 * 14\; N/mm_{2}} = 1,9048$$
Die Maschine ist nicht fähig, da Cm
Beispiel 2
Für ein Fertigungsmaß gilt: | 100 | ± | 0,1 | → T = 0,2 |
Aus der Stichprobe ist bekannt: | s | = | 0,015 | |
$$\bar{x}$$ | = | 99,92 |
Zu ermitteln sind Cm, Cmk:
$$C_{m} = \frac{T}{6s}$$
$$= \frac{0,2}{0,09} = 2,22$$
Da Cm ≥ 2,0 gilt: Die Maschine ist fähig; die Streuung liegt innerhalb der Toleranzgrenzen.
$$C_{mk} = \frac{Z_{krit}}{3s}$$
$$OTG-\bar{x}=100,1-99,92=018$$ $$\bar{x}-MTG=99,92-99,9=0,02$$
$$Z_{krit}=min(OTG-\bar{x};\bar{x}-MTG)=0,02$$
$$= \frac{0,02}{0,045}$$
$$= 0,44$$
Da Cmk
05. Wie wird eine Annahme-Stichprobenprüfung durchgeführt?
Stichprobenpläne werden sehr häufig eingesetzt, wenn fremd beschaffte Teile geprüft werden. Der Stichprobenplan wird üblicherweise zwischen Käufer und Verkäufer fest vereinbart. Dazu werden drei Größen eindeutig festgelegt:
Festlegung von drei Kenngrößen im Stichprobenplan | ||
Losgröße (N) | Stichprobengröße (n) | Annahmezahl (c) |
bis 150 | 13 | 0 |
151 bis 1.200 | 50 | 1 |
1.201 bis 3.200 | 80 | 2 |
3.201 bis 10.000 | 125 | 3 |
usw. | usw. | usw. |
Solange die Annahmezahl c ≤ dem angegebenen Grenzwert ist, wird die Lieferung angenommen. Man spricht davon, dass die Lieferung die „Annehmbare Qualitätslage“ (AQL = Acceptable Quality Level) erfüllt. Zum Beispiel dürfen bei einer Lieferung von 2.000 Einheiten maximal zwei fehlerhafte Einheiten in der Stichprobe mit n = 80 sein.
In der Praxis werden so genannte Leittabellen verwendet, die entsprechende Stichprobenanweisungen enthalten; die relevanten Parameter sind: Losgröße N, Prüfschärfe (normal/verschärft), Annahmezahl c, Rückweisezahl d, AQL-Wert (z. B. 0,40).
Beispiel
Beispiel 1
Das Unternehmen erhält regelmäßig Bauteile in Lösgrößen von N = 250. Mit dem Lieferanten wurde eine Annahme-Stichprobenprüfung als Einfach-Stichprobe bei Prüfniveau II und einem AQL-Wert von 0,40 vereinbart (vgl. DIN ISO 2859-1).
Ermittlung des Kennbuchstabens für den Stichprobenumfang; nachfolgend ist ein Ausschnitt aus Tabelle I dargestellt:
Losumfang N Besondere Prüfniveaus Allgemeine Prüfniveaus DIN ISO 2859-1 S-1 S-2 S-3 S-4 I II III … … … 51 bis 90 B B C C C E F 91 bis 150 B B C D D F G 151 bis 280 B C D E E G H 281 bis 500 B C D E F H J 501 bis 1200 C C E F G J K … … … Für einen Losumfang von N = 250 und einem allgemeinen Prüfniveau II wird der Kennbuchstabe G ermittelt.
Ermittlung des Stichprobenumfangs n und der Annahmezahl c bei AQL 0,40 aus Tabelle II-A (Einfach-Stichproben für normale Prüfung; vgl. unten, Ausschnitt aus der Leittabelle):
Tabelle II-A Einfachstichprobenanweisung für normale Prüfung
Ergebnis:
Bei G/Tabelle II-A ist n = 32, c = 0 und d = 1.
Das ergibt die Prüfanweisung: Bei regelmäßigen Losgrößen von N = 250, Prüfniveau II und normaler Prüfung darf die Stichprobe vom Umfang n = 32 keine fehlerhaften Teile enthalten; ist c ≥ 1, wird die Lieferung zurückgewiesen.
Beispiel 2
Es wird für den o. g. Sachverhalt unterstellt, dass die achte und neunte Lieferung zurückgewiesen werden muss, da c ≥ 1. Die zehnte Lieferung ist verschärft zu prüfen. Wie verändert sich unter diesen Bedingungen die Prüfanweisung?
Es wird Tabelle II-B herangezogen (verschärfte Prüfung):
Tabelle II-B Einfachstichprobenanweisung für verschärfte Prüfung
Ergebnis:
Der Stichprobenumfang muss von n = 32 auf n = 50 erhöht werden; die Tabelle II-B zeigt: c = 0 und d ≥ 1, d. h. die Stichprobe bei verschärfter Prüfung vom Umfang n = 50 darf keine fehlerhaften Teile enthalten.
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