Inhaltsverzeichnis
01. Warum muss ein Unternehmen seinen Kapitalbedarf planen?
Die Notwendigkeit zur Planung des Kapitalbedarfs eines Unternehmens ergibt sich aus der grundlegenden Situation, dass die periodenbezogenen Einnahmen und Ausgaben unterschiedlich sind
in der Höhe und
bezogen auf den Zeitpunkt.
Wären theoretisch die Einnahmen und Ausgaben zu jedem Zeitpunkt und wertmäßig gleich, würde der Kapitalbedarf gleich Null sein und eine Finanzplanung bzw. eine Kapitalbeschaffung wären entbehrlich.
Beispiel
Ein Unternehmen verzeichnet in der 1. bis 6. KW die nachfolgenden Einnahmen und Ausgaben. Der Kapitalbedarf ergibt sich als Saldo der kumulierten Einnahmen und Ausgaben.
Woche | Einnahmen E | Ausgaben A | Saldo E – A | Saldo, kumuliert (= Kapitalbedarf) |
1. KW | 20.000 | 30.000 | – 10.000 | – 10.000 |
2. KW | 20.000 | 30.000 | – 10.000 | – 20.000 |
3. KW | 10.000 | 30.000 | – 20.000 | – 40.000 |
4. KW | 30.000 | 30.000 | 0 | – 40.000 |
5. KW | 30.000 | 50.000 | – 20.000 | – 60.000 |
6. KW | 20.000 | 20.000 | 0 | – 60.000 |
Summe | 130.000 | 190.000 | – 60.000 |
02. Welche Faktoren bestimmen den Kapitalbedarf eines Unternehmens?
Zu den allgemeinen Faktoren zählen insbesondere:
Absatzmärkte, Marktposition und Nachfrage
Situation auf den Beschaffungsmärkten
staatliche Maßnahmen (Umweltauflagen können z. B. den Kapitalbedarf erheblich ansteigen lassen)
allgemeines Preisniveau und Konjunkturlage
Branche (z. B. benötigen Dienstleister weniger Kapital als Produzenten von Investitionsgütern).
Zu den speziellen Faktoren , die bei der konkreten Ermittlung des Kapitalbedarfs herangezogen werden, rechnet man vor allem:
Unternehmensgründung:
Es entsteht Kapitalbedarf für die Grundausstattung des Unternehmens. Dazu gehören z. B. Grundstücke, Gebäude, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Miete von Räumlichkeiten, erste Vorräte und Gehälter.
Unternehmensgröße:
Vor allem ihre Änderung führt zu einem erhöhten Kapitalbedarf, der meist sprunghaft ansteigt, z. B. Bau eines Zweigwerkes.
Prozessanordnung:
Dabei handelt es sich um die zeitlich und organisatorisch festgelegte Abfolge von güter- und finanzwirtschaftlichen Vorgängen. Je günstiger sie gestaltet ist, desto geringer ist der Kapitalbedarf.
Prozessgeschwindigkeit:
Sie bestimmt die Dauer der Kapitalbindungsfristen, denn Auszahlungen und Einzahlungen liegen zeitlich umso näher zusammen, je größer die Prozessgeschwindigkeit ist. Dies bedeutet, dass auch der Kapitalbedarf abnimmt.
Beschäftigungsgrad:
Eine Steigerung der Beschäftigtenzahl zieht einen erhöhten Kapitalbedarf nach sich. Umgekehrt ist das nicht zwingend der Fall.
Investitionen:
Kapitalbedarf entsteht für Ersatzinvestitionen und/oder zusätzliche Investitionen (z. B. Rationalisierungsinvestitionen).
Markteinführungskosten:
Ausgaben für Werbebudgets erhöhen den Kapitalbedarf.
Produktions- und Absatzprogramm:
Der Kapitalbedarf ist von der Forschung und Entwicklung und eventuellen Produktionsumstellungen abhängig. Außerdem: Je größer die Programmbreite und -tiefe ist, um so höher ist die Mindestlagerhaltung für die einzelnen Erzeugnisse. Dies verursacht einen höheren Kapitalbedarf.
03. Wie wird der Kapitalbedarf eines Unternehmens ermittelt?
Man unterscheidet zwei Fälle:
Bei laufendem Geschäftsbetrieb wird der Kapitalbedarf über den kurz- und mittelfristigen Finanzplan ermittelt.
Bei der Neugründung bzw. Erweiterung wird der Kapitalbedarf für das Anlagevermögen sowie das Umlaufvermögen mithilfe von Näherungsberechnungen ermittelt. Außerdem sind einmalige Kosten der Unternehmensgründung zu berücksichtigen.
Beispiel zur Berechnung des Kapitalbedarfs bei Neugründung bzw. Erweiterung
Berechnung des Anlagekapitalbedarfs:
Grundstück 200.000,00 + Gebäude 600.000,00 + Maschinen 300.000,00 Anschaffungskosten 200.000,00 + Transport 30.000,00 + Montage 60.000,00 + Versicherung 10.000,00 + Betriebs- und Geschäftsausstattung 100.000,00 Anlagekapitalbedarf 1.200.000,00 Berechnung der einmaligen Kosten:
Gründungskosten 30.000,00 Notar 6.000,00 + Steuerberatung 5.000,00 + Gericht 2.000,00 + Makler 12.000,00 + Grundbuch 5.000,00 Beratungskosten 270.000,00 Personalakquise 45.000,00 + Markterhebung 65.000,00 + Image- und Produktwerbung 80.000,00 + Prozessberatung (Fertigung) 60.000,00 + Organisation 20.000,00 Einmalige Kosten 300.000,00 Berechnung der laufenden Kosten bis Produktionsbeginn:
Kostenfaktor Wertansatz, mtl. Dauer Kapitalbedarf Gehälter 60.000,00 2 Mon. 120.000,00 + Sozialabgaben 24.000,00 2 Mon. 48.000,00 + Löhne 260.000,00 1 Mon. 260.000,00 + Sozialabgaben 104.000,00 1 Mon. 104.000,00 + Energie 10.000,00 2 Mon. 20.000,00 + Sonstige 15.000,00 2 Mon. 30.000,00 Laufende Kosten bis Produktionsbeginn 582.000,00 Die Berechnung des Umlaufkapitalbedarfs erfolgt in drei Schritten:
- 4.1
Kostenfaktor/durchschnittlicher Wertansatz
pro Produktionstag, z. B.:
RHB-Stoffe 60.000,00 Personalkosten 15.000,00 Gemeinkosten 12.000,00 Gesamt 87.000,00 - 4.2
Durchschnittliche Kapitalbindungsdauer in Tagen je Kostenfaktor/Wertansatz, z. B.:
- 4.2.1
Kumulative Methode:
Sie ist eine vereinfachte Berechnung, bei der alle Wertansätze insgesamt mit der durchschnittlichen Kapitalbindungsdauer gewichtet werden:
Eingangslager 10 Tage Produktion 25 Tage Fertigteilelager 10 Tage Kundenziel 30 Tage Lieferantenziel –15 Tage Gesamt 60 Tage $$Umlaufkapitalbedarf \\ = \\ (durchschn.\; Kapitaldauer\;– Lieferantenziel)\\\\ * durchschnittliche\; t\ddot{a}gliche\; Auszahlungen$$
$$= 60 \;Tage \;\cdot\; 87.000\;€$$
$$= 5.220.000\;€$$
- 4.2.2
Elektive Methode (lat.: auswählend):
Sie ist genauer als die kumulative Methode. Für die einzelnen Kostenfaktoren/Wertansätze werden unterschiedliche Kapitalbindungsdauern berücksichtigt:
Tage 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 Eingangs-lager Produktion Fertig-teile-lager Kundenziel - Lieferanten-ziel Produktion Personalkosten RHB-Stoffe Gemeinkosten RHB-Stoffe:
Eingangslager 10 Tage Produktion 25 Tage Fertigteilelager 10 Tage Kundenziel 30 Tage Lieferantenziel – 15 Tage Summe 60 Tage • 60.000 € = 3.600.000 € Personalkosten:
Produktion 25 Tage Fertigteilelager 10 Tage Kundenziel 30 Tage Summe 65 Tage • 15.000 € = 975.000 € Gemeinkosten:
Eingangslager 10 Tage Produktion 25 Tage Fertigteilelager 10 Tage Kundenziel 30 Tage Summe 75 Tage • 12.000 Tage = 900.000 € - 4.3
Umlaufkapitalbedarf insgesamt (elektiv) = 5.475.000 €
Insgesamt betrachtet kann die Kapitalbedarfsermittlung des Umlaufvermögens nicht mehr als eine Näherungsrechnung sein. Daran ändert auch der Einsatz der elektiven Methode nichts.
Ermittlung des Kapitalbedarfs insgesamt durch Addition der Einzelpositionen:
1. Anlagekapitalbedarf 1.200.000,00 2. Einmalige Kosten 300.000,00 3. Laufende Kosten bis Produktionsbeginn 582.000,00 4. Umlaufkapitalbedarf (elektiv) 5.475.000,00 Kapitalbedarf insgesamt 7.557.000,00
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