Inhaltsverzeichnis
- 01. Warum sollte sich der Meister bei der Mitarbeiterförderung an der Berufsausbildung und der schulischen Entwicklung seiner Mitarbeiter orientieren?
- 02. Wie kann der Industriemeister seine Mitarbeiter in schwierigen Situationen des beruflichen Alltags beraten und unterstützen?
- 03. In welcher Form sollte der Meister kulturelle Werte des Mitarbeiters bei der Förderung berücksichtigen?
01. Warum sollte sich der Meister bei der Mitarbeiterförderung an der Berufsausbildung und der schulischen Entwicklung seiner Mitarbeiter orientieren?
In Deutschland fordern das Bildungssystem und die Arbeitswelt in der Regel bestimmte Schulabschlüsse als Voraussetzung für den Einstieg in weiterführende Schulen bzw. bei der Wahl bestimmter Berufsbilder. Bei der Zulassung zu Fortbildungsprüfungen der IHK ist im Regelfall eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf sowie eine mehrjährige Praxis in diesem Berufsfeld erforderlich.
Beispiel
Angestrebtes Bildungsziel, z. B.: | Voraussetzung, u. a.: |
| → Hauptschulabschluss → Realschulabschluss → abgeschlossene Berufsausbildung und mehrjährige, einschlägige Praxis |
Die Schulen vermitteln je nach Schulform und Bildungsbereich Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und zum Teil auch Ansätze zur Verbesserung der Sozial- und Methodenkompetenz.
Umfragen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zeigen, dass eine berufliche Ausbildung nach dem dualen System und eine weiterführende Fortbildung, z. B. als Fachwirt, Fachkaufmann, Meister oder Technischer Betriebswirt, auch den Mitarbeitern Aufstiegschancen für mittlere Führungsebenen öffnen, die nicht über einen Hochschulabschluss verfügen.
Daraus lässt sich ableiten:
Der Einstieg in die berufliche Qualifizierung ist mit der Überwindung von „Hürden“ verbunden; der Aufstieg über weiterführende Fortbildungsmaßnahmen verlangt den Nachweis bestimmter Qualifikationen. Wer also einen anerkannten Ausbildungsberuf erlernt und in der Praxis erfolgreich ausgeübt hat, beweist damit ein Qualifikationsniveau, das eine bestimmte Lernfähigkeit und Lernbereitschaft voraussetzt. Diese Aussage gilt trotz mancher Zweifel, die am Wert schulischer und beruflicher Prüfungsverfahren gemacht werden können. Aus diesem Grunde sind die in der Schule und in der beruflichen Ausbildung erworbenen Qualifikationen von Bedeutung: Sie haben den Mitarbeiter geprägt; er hat bestimmte Erfahrungen erworben, auf die bei weiterführenden Qualifizierungsmaßnahmen aufzubauen ist.
Im Beruf erfahrene Lernprozesse, die vom Einzelnen konstruktiv umgesetzt werden, beeinflussen seine Haltung im Arbeitsprozess nachhaltig und sind die Grundlage für Erfolge.
Der Industriemeister sollte daher bei der individuellen Beratung und Förderung des einzelnen Mitarbeiters die vorhandene schulische Ausbildung und den bisherigen theoretischen und praktischen beruflichen Werdegang erkennen und analysieren. Die vorhandene schulische und berufliche Ausbildung und Erfahrung ist als Sockel der weiterführenden Mitarbeiterförderung zu betrachten.
Bei der Planung von Fördermaßnahmen für einzelne Mitarbeiter sollte sich daher der Meister an folgende Fragestellungen orientieren:
Hat sich die Wahl des bisherigen Berufsbildes als richtig erwiesen?
Entspricht das Berufbild den Neigungen, den Begabungsschwerpunkten sowie der Persönlichkeitsstruktur des Mitarbeiters?
Welche schulischen Wissensinhalte sind für die Arbeitswelt besonders relevant und verwertbar? Sind hier bereits Neigungs- und Begabungsschwerpunkte erkennbar geworden?
Welche Erfahrungen hat der Mitarbeiter mit sich selbst in bestimmten berufstypischen Situationen gemacht?
Welche Funktionsfelder, z. B. operative Arbeit oder administrative, „liegen ihm“ mehr?
Was hat der Mitarbeiter bisher erreicht? Was nicht? Mit welchen Ergebnissen? In welchen Funktionsfeldern?
Schule und Berufsbildung müssen vor dem Hintergrund der individuellen Persönlichkeit für den Industriemeister bei der beruflichen Beratung seiner Mitarbeiter handlungsleitend sein. Lernprozesse der Schule und der Berufspraxis sind zu erfassen, zu analysieren und auf zukünftige Anforderungen und persönliche berufliche Ziele des Mitarbeiter auszurichten.
02. Wie kann der Industriemeister seine Mitarbeiter in schwierigen Situationen des beruflichen Alltags beraten und unterstützen?
Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Mitarbeiters hängen nicht nur vom Betriebsklima und anderen Rahmenbedingungen des Unternehmens ab, sondern sie sind auch dadurch bestimmt, wie der Einzelne es vermag, für sich und andere die tägliche Zusammenarbeit positiv zu gestalten.
Nur wenn es dem Mitarbeiter gelingt, sich kooperativ in den Arbeitsprozess zu integrieren, kann sich ein Klima zur Umsetzung innovativer Ideen entwickeln. Zum anderen wird der Mitarbeiter in dem Maße an beruflicher Zufriedenheit gewinnen, wie er seine Vorstellungen und seine Individualität bei Problemlösungen einbringen kann.
Dies verlangt vom Betrieb die Schaffung eines positiven Umfeldes und vom Einzelnen eine Lernbereitschaft und -fähigkeit im Umgang mit schwierigen Situationen. Der Vorgesetzte kann hier helfend eingreifen, um so die Sozialkompetenz des Einzelnen zu stärken.
Beispiel
Wenn unterschiedliche Auffassungen, Meinungen und Verhaltensmuster sich unversöhnlich gegenüberstehen, kommt es im betrieblichen Alltag zu Konflikten. Die Hauptquelle aller Konflikte sind Störungen auf der Beziehungsebene. Der Industriemeister muss hier regelnd eingreifen: Er kann z. B. bei einem sich abzeichnenden Konflikt zwischen zwei Mitarbeitern zunächst in Einzelgesprächen herausarbeiten, wo die Ursachen liegen.
Mit geeigneten Fragestellungen wird er versuchen, dass der Mitarbeiter sich öffnet und seine Sicht der Dinge beschreibt:
Wie fühlen Sie sich in dieser Situation?
Was stört Sie?
Was ärgert Sie?
Welche Verhaltensweisen würden Sie von Ihrem Kollegen gerne sehen?
Was müsste passieren, damit Sie sich wieder wohl fühlen?
Auf diese Weise kann der Vorgesetzte die Motiv- und Wertestruktur der einzelnen Mitarbeiter in getrennten Sitzungen herausarbeiten. Im darauf folgenden, gemeinsamen Gespräch wird er zwischen beiden Parteien den Prozess der Konfliktbewältigung moderieren. Er wird Unterschiede bewusst machen, helfen Verletzungen aufzuarbeiten und themenzentriert auf die Gestaltung tragfähiger Vereinbarungen für die Zukunft hinarbeiten. Der Meister wird dabei in keinem Fall Partei ergreifen.
Nur wenn die Interessen und (berechtigten) Wünsche beider Parteien bei der Konfliktlösung vollständig einfließen, vermeidet man eine Sieg-Niederlage-Strategie und es kann gelingen, für die Zukunft wieder eine tragfähige Arbeitsbasis zu schaffen.
Der besondere Förderungscharakter dieser Gespräche sollte für den Industriemeister auch darin liegen, den Mitarbeitern nicht nur bei der Lösung schwieriger Arbeitsituationen zu helfen. Es sollte ihm auch gelingen, Strategie und Prozess derartiger Lösungsansätze bewusst auf die Mitarbeiter zu übertragen, um so ihre Sozialkompetenz gezielt zu stärken.
Beispiel
„Mobbing“
Bei Mobbing (englisch; bedeutet soviel wie Schikanieren des anderen; bewusst oder aufgrund von Fahrlässigkeit) muss der Vorgesetzte gezielt und sofort eingreifen. Mobbing ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine massive Verletzung der Persönlichkeit mit zum Teil schwerwiegenden Folgen: Abkehr vom Unternehmen, Krankheit, psychosomatische Störungen, Depressionen, Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust der Entscheidungssicherheit.
03. In welcher Form sollte der Meister kulturelle Werte des Mitarbeiters bei der Förderung berücksichtigen?
Beratung und Förderung kann u. a. nur dann erfolgreich sein, wenn der Vorgesetzte die Motive und die Wertestruktur des Mitarbeiters hinreichend in Erfahrung bringt, im Förderungsprozess berücksichtigt und generell dem anderen mit einer positiven Grundhaltung begegnet.
Im Einzelnen sollte sich der Meister an folgenden Leitgedanken orientieren:
den Mitarbeiter in seiner Persönlichkeit respektieren und seine Eigenarten verstehen lernen;
Förderung heißt nicht Veränderung der Persönlichkeit
dem Mitarbeiter Vertrauen entgegenbringen
ihn dort abholen, wo er steht („Bahnhofsprinzip“)
dem Mitarbeiter keine vorgefertigten Werthaltungen „überstülpen“.
Beispiel
Ein 28-jähriger Mitarbeiter zeigt derzeit keine besondere Bereitschaft, höherwertige Aufgaben zu übernehmen, obwohl dies vom Betrieb geplant ist. Überstunden will er nur in begrenztem Umfang machen. Seine Begründung: Derzeit sind ihm seine Familie sowie der Umbau seines geerbten Hauses besonders wichtig. Außerdem möchte er seine Aufgabe als aktiver Spieler im dörflichen Fußballclub nicht vernachlässigen. Seine Arbeit im Betrieb wird positiv bewertet; sein Teamverhalten besonders gelobt. Aus der Sicht des Vorgesetzten wäre es zwar verständlich aber falsch, hier die „psychologische Brechstange“ anzusetzen, z. B.: „Diese Chance bietet Ihnen der Betrieb nur einmal. Wenn Sie wüssten, wie viele andere auf eine derartige Möglichkeit warten. Ich bin von Ihnen sehr enttäuscht.“
Der Mitarbeiter und seine derzeitige Prioritätensetzung hinsichtlich Familie, Beruf, persönlicher und beruflicher Verpflichtung sind zu respektieren, auch wenn die Werthaltung des Vorgesetzten zum Thema Familie und Beruf eine andere ist.