Kursangebot | Rechtsbewusstes Handeln | Geltungsbereich und Rechtswirksamkeit von Tarifverträgen

Rechtsbewusstes Handeln

Geltungsbereich und Rechtswirksamkeit von Tarifverträgen

01. Was sind autonome Rechtsquellen im Bereich des Arbeitsrechts?

Autonome Rechtsquellen im Bereich des Arbeitsrechts sind insbesondere Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen.

 

02. Was versteht man unter Tarifverträgen?

Tarifverträge sind schriftliche Verträge zwischen Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern einerseits und Gewerkschaften andererseits, die arbeitsrechtliche Normen enthalten (normativer Teil) und Rechte und Pflichten der Tarifparteien untereinander regeln (schuldrechtlicher oder obligatorischer Teil).

 

03. Was ist die Rechtsgrundlage des Tarifvertrages?

Rechtsgrundlage für Tarifverträge ist das Tarifvertragsgesetz. Der Tarifvertrag ist ein privatrechtlicher Vertrag, für den die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts zur Anwendung kommen.

 

04. Welche Funktionen erfüllt ein Tarifvertrag?

Ein Tarifvertrag erfüllt

  • eine Schutzfunktion des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber

  • eine Ordnungsfunktion durch Typisierung der Arbeitsverträge

  • die Friedensfunktion, denn der Tarifvertrag schließt während seiner Laufzeit Arbeitskämpfe und neue Forderungen hinsichtlich der in ihm geregelten Sachverhalte aus

  • eine Verteilungsfunktion: Die Arbeitnehmer sollen an der Aufteilung des BIP (am wachsenden Wohlstand) beteiligt werden.

 

05. Wer kann Tarifverträge abschließen?

Tarifverträge können auf Arbeitnehmerseite nur die Gewerkschaften abschließen, auf Arbeitgeberseite dagegen sowohl Arbeitgeberverbände (als Verbandstarif) als auch jeder einzelne Arbeitgeber (als Firmen-, Werk- oder Haustarif). Darüber hinaus kommen als Tarifvertragsparteien die Spitzenorganisationen, d. h. die Zusammenschlüsse von Arbeitgeberverbänden oder von Gewerkschaften, in Betracht. Tariffähig sind ferner Handwerksinnungen und Innungsverbände.

 

06. Welche Formvorschriften müssen Tarifverträge erfüllen?

Der Tarifvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit einer von beiden Vertragsparteien eigenhändig unterschriebenen Vertragsurkunde. Abschluss, Änderung, Beendigung und Allgemeinverbindlichkeitserklärung werden in einem beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung geführten Tarifregister eingetragen. Die Eintragung hat jedoch für die Wirksamkeit des Tarifvertrages keine Bedeutung. Die Tarifverträge können von jedermann kostenlos eingesehen werden. Von den Länderarbeitsministerien werden ebenfalls Tarifregister geführt.

 

07. Welche Regelungen kann der normative Teil eines Tarifvertrages enthalten?

  • Normen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen

  • Normen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen

  • Normen über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien.

 

08. Welche Regelungen kann der schuldrechtliche Teil eines Tarifvertrages enthalten?

Der schuldrechtliche Teil eines Tarifvertrages begründet nur Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien untereinander. Den Tarifvertragsparteien steht es grundsätzlich frei, beliebige Rechte und Pflichten gegeneinander zu begründen. Die wichtigsten sind: Abschluss, Durchführung und Beendigung des Tarifvertrages, Friedenspflicht, Schlichtungsabkommen, Einwirkungspflicht.

 

09. Wie wirken sich Tarifverträge auf einzelne Arbeitsverhältnisse aus?

Tarifverträge können gelten:

  1. kraft Organisationszugehörigkeit (Arbeitgeber ist Mitglied des Arbeitgeberverbands, Arbeitnehmer ist Mitglied der Gewerkschaft): Tarifverträge werden von den Tarifvertragsparteien nur für ihre Mitglieder abgeschlossen.

  2. durch Allgemeinverbindlichkeit: In diesem Fall gilt der Tarifvertrag unmittelbar und zwingend auch für solche Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nicht Mitglied einer Tarifvertragspartei sind.

  3. durch einzelvertragliche Vereinbarung: Die Anwendung eines Tarifvertrages kann auch auf bestimmte Teile beschränkt bleiben. Während also bei zwingender Anwendung eines Tarifvertrages infolge Organisationszugehörigkeit oder Allgemeinverbindlichkeit einzelvertragliche Regelungen nur noch getroffen werden können, wenn diese für den Arbeitnehmer günstiger sind oder der Tarifvertrag eine solche ungünstigere Regelung ausdrücklich gestattet, sind bei Fehlen dieser Voraussetzungen im Falle einzelvertraglicher Regelungen ungünstigere Lösungen möglich.

 

10. Unter welchen Voraussetzungen haben Tarifverträge eine unmittelbare und zwingende Wirkung?

Derartige Normen gelten für Arbeitsverhältnisse, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer

  1. tarifgebunden sind

  2. unter den räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages

  3. unter den betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages

  4. unter den fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages fallen.

 

11. Wer ist tarifgebunden?

Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, wenn er selbst Partei des Tarifvertrages ist.

 

12. Was bedeutet der räumliche Geltungsbereich?

Der räumliche Geltungsbereich kann sich auf einen bestimmten Bezirk oder ein Bundesland beschränken, er kann sich aber auch auf das ganze Bundesgebiet erstrecken.

 

13. Was bedeutet der betriebliche Geltungsbereich?

Der betriebliche Geltungsbereich ist in jedem Tarifvertrag bestimmt, indem festgelegt ist, für welche Betriebe er gelten soll. In der Regel erfasst ein Tarifvertrag die Betriebe eines ganzen Wirtschaftszweiges.

 

14. Was bedeutet der fachliche Geltungsbereich?

Der fachliche Bereich nimmt Bezug auf einen bestimmten Wirtschaftszweig und erfasst dort sämtliche Berufs- oder Tätigkeitsbereiche. Gilt z. B. in einem Betrieb ein Lohn- und Gehaltstarif für die metallverarbeitende Industrie, so fallen alle Betriebsangehörigen – z. B. auch die Küchen- und Reinigungskräfte – unter diesen Tarifvertrag.

 

15. Was bedeutet Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages?

Zunächst gilt ein Tarifvertrag in seinem räumlichen, betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich nur, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden sind. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann jedoch einen Tarifvertrag unter bestimmten Voraussetzungen für allgemein verbindlich erklären. Die Allgemeinverbindlichkeit bedeutet, dass der Tarifvertrag nunmehr in seinem räumlichen, betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich für alle Arbeitnehmer gilt. Unerheblich ist, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden sind.

 

16. Unter welchen Voraussetzungen kann eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages vorgenommen werden?

  • Es muss eine Tarifvertragspartei einen entsprechenden Antrag stellen.

  • Die tarifgebundenen Arbeitgeber müssen mindestens die Hälfte der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen.

  • Die Allgemeinverbindlichkeit muss im öffentlichen Interesse geboten erscheinen.

 

17. Welche Tarifvertragsarten gibt es?

Tarifvertragsarten sind z. B.:

Manteltarifvertrag/RahmentarifvertragEr regelt allgemeine Arbeitsbedingungen wie z. B. Arbeitszeit, Zuschläge für Mehr-, Nacht- und Schichtarbeit, Urlaub, Kündigungsvoraussetzungen und Kündigungsfristen. Die Laufzeit beträgt ca. drei Jahre.
Branchen-/FlächentarifvertragEr gilt für eine ganze Branche bzw. für eine bestimmte Region.
Lohn- und GehaltstarifvertragEr regelt die Lohn- und Gehaltsgruppen in den einzelnen Tarifgruppen. Die Laufzeit ist i. d. R. ein Jahr.
FlächentarifvertragEr legt die Bedingungen für eine bestimmte Region oder eine bestimmte Branche in Deutschland fest.
Firmentarifvertrag (Haustarifvertrag)Er legt die Bedingungen für ein bestimmtes Unternehmen fest.
Vergütungstarifvertragauch: Lohntarifvertrag;
Er regelt die Höhe der Vergütung.
Sonstige TarifverträgeRegelungen über besondere Inhalte wie z. B. gemeinsame Einrichtungen (Urlaubs- und Lohnausgleichskassen), Schlichtungsabkommen und vermögenswirksame Leistungen.