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Betriebliches Kostenwesen

Methoden der Datenermittlung

 

01. Wie werden Zeiten ermittelt? Welche Methoden gibt es?

Bei der Ermittelung von Zeiten ist zu unterscheiden zwischen folgenden Zeitarten:

  • Istzeiten sind tatsächlich vom Menschen/Betriebsmittel für das Ausführen von Ablaufabschnitten gebrauchte Zeiten.

  • Sollzeiten sind aus Istzeiten abgeleitete Zeiten für geplante Abläufe.

Es werden folgende Zeitermittlungsmethoden eingesetzt:

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02. Welchen Zweck haben Zeitaufnahmen?

  • Zeitaufnahmen sind das Ermitteln von Sollzeiten durch Messen und Auswerten von Istzeiten (Definition nach REFA).

  • Der Vorgang der Zeitaufnahme umfasst:

    • Beschreibung des Arbeitssystems (Arbeitsaufgabe, -verfahren, -methode, -bedingungen),

    • Gliederung des Arbeitsablaufs in messbare Ablaufabschnitte und Bestimmung der Messpunkte,

    • Erfassung der Bezugsmengen und Einflussgrößen,

    • Messen der Ist-Zeiten und Schätzen des Leistungsgrades,

    • Auswerten der Messergebnisse nach statistischen Methoden (z. B. Mittelwertberechnung),

    • Ermittlung der Sollzeiten unter Berücksichtigung der Erhol- und Verteilzeiten.

  • Voraussetzungen der Zeitaufnahme:

    • Die Zeitaufnahme muss reproduzierbar sein (Protokoll).

    • Die Zeitaufnahme erfolgt am „bereinigten“ Arbeitssystem: Der Zeitaufnahme geht eine Optimierung der Arbeitsplatzgestaltung voraus.

    • Zeitaufnahmen dürfen nicht ohne Wissen des Mitarbeiters erfolgen und sind mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 10, 11 BetrVG).

    • Der Zeitaufnahmebogen ist eine Urkunde; es darf nicht radiert und geändert werden.

  • Man unterscheidet zwei Zeitmessmethoden:

    • Einzelzeitmessung

    • Fortschrittsmessung

    • Einzelzeitmessung:

      Für jeden Ablaufabschnitt wird gesondert gemessen.

    • Fortschrittsmessung:

      Die Zeit wird von einer permanent laufenden Stoppuhr abgelesen (Zeitdauer = Differenz zweier Fortschrittszeiten).

 

03. Was versteht man unter Systemen vorbestimmter Zeiten (SvZ)?

Neben der Ermittlung der Vorgabezeit nach REFA gibt es noch das Verfahren auf der Grundlage von Systemen vorbestimmter Zeiten: Der Grundgedanke ist, dass manuelle Tätigkeiten des Menschen systematisch bestimmbar sind.

  • Unter Systemen vorbestimmter Zeiten (SvZ) versteht man Verfahren zur Ermittlung von Sollzeiten für manuelle Tätigkeiten, die vom Menschen beeinflussbar sind (Definition nach REFA).

Die Bestimmung der Sollzeiten erfolgt bei allen SvZ in vier Arbeitsschritten:

  1. Analyse des Bewegungsablaufs, z. B. Hinlangen, Greifen usw.

  2. Zeitanalyse (Bestimmen der Einflussgrößen), z. B. Bewegungslänge,

  3. Ablesen der Elementarzeiten aus Tabellen,

  4. Addieren der Elementarzeiten zur Gesamtbewegungszeit für einen Ablauf.

Für die Anwendung derartiger Systeme müssen sechs Voraussetzungen gegeben sein:

  1. Die Standardzeiten der Verfahren müssen mithilfe eines Umrechnungsfaktors an die REFA-Normalleistungszeit angepasst werden.

  2. Die Arbeitsabläufe müssen konstant und reibungslos sein. Die SvZ benötigen für ihre starre Methodik „genormte“ Arbeiten. Etwaige Unregelmäßigkeiten müssen in der Häufigkeit ihres Auftretens bestimmbar sein.

  3. Die Konstanz des Arbeitsablaufs bedingt wiederum stationäre Arbeitsplätze, an denen Werkzeuge, Vorrichtungen und Teilebehälter stets im gleichen, „normalen“ Griffbereich des Arbeiters liegen.

  4. Ebenso muss der zu bearbeitende Werkstoff in seinen Abmessungen und Qualitätskriterien stets einheitlich sein.

  5. Die SvZ beziehen sich nur auf geistige oder manuelle Bearbeitungszeiten. Alle anderen Zeiten (Erhol-, Verteil-, Wartezeiten usw.) werden mithilfe von Stoppuhr oder Multimomentaufnahme errechnet und den Tabellenwerten (meist prozentual) zugeschlagen.

  6. Die SvZ analysieren nur die menschliche Bewegungsleistung.

In Deutschland sind vor allem folgende SvZ gebräuchlich:

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04. Welche Systematik hat das Work-Faktor-System?

Das Work-Faktor-System (englisch: work factor = Summe der Merkmale des Schwierigkeitsgrades der Arbeit) wurde 1945 in den USA entwickelt. Es unterscheidet:

  • Acht Grundbewegungen als Standardelemente; die Zeitwerte sind in Tabellen zusammengefasst.

  • Sechs Körperbewegungen als weitere Bewegungselemente; sie sind in Abhängigkeit von den jeweiligen Einflussgrößen als Festwert der Tabelle zu entnehmen.

  • Vier Merkmale der Bewegungsbeherrschung (Schwierigkeitsgrad = work factor).

Work-Faktor-System
BewegungselementeGrundbewegungen
(Standardelemente)
1Bewegen
2Greifen
3Loslassen
4Vorrichten
5Fügen
6Demontieren
7Ausführen
8Geistige Vorgänge
 Körperbewegungen
(weitere Bewegungselemente)
1Kopfdrehungen
2Körperdrehungen
3Gehen, unbehindert
4Gehen, behindert
5Gehen auf Treppen
6Aufstehen, Hinsetzen
Einflussgrößen1Bewegter Körperteil
2Zurückgelegter Weg, in cm
3Schwierigkeitsgrad:
  • Bestimmtes Ziel
  • Steuern
  • Sorgfalt/Präzision
  • Richtungsänderung/Umweg

Für die analysierte Bewegung werden die Einflussgrößen und die Anzahl der Merkmale (der Bewegungsbeherrschung) ermittelt und der entsprechende Zeitwert der Tabelle entnommen. Die Zeitwerte sind in Zeiteinheiten (ZE) angegeben (1 ZE = 0,0001 min).

Das WF-System wird überwiegend in der Massenfertigung angewendet. Aus dem Grundverfahren (s. o.) wurden vereinfachte Verfahren abgeleitet, die bei Kleinserien wirtschaftlich vertretbar sind:

  • Work-Faktor-Schnellverfahren (WFS)

  • Work-Faktor-Kurzverfahren (WFK).

 

05. Welche Systematik hat das MTM-System?

Das MTM-System wurde 1948 in den USA veröffentlicht und bedeutet übersetzt: Methoden-Zeit-Messung (Methods-Time-Measurement). Hier ist die Methode das Maß für die Zeit. Es werden sowohl quantitative als auch qualitative Einflussgrößen erfasst (z. B. Bewegungslänge bzw. Lage des Gegenstandes).

Das MTM-System unterscheidet:

  • neun Grundbewegungen (z. B. R = Reach = Hinlangen)

  • acht Körper-, Bein- und Fußbewegungen

  • zwei Blickfunktionen

  • Bewegungsfälle A, B, C, … (sie werden bestimmt durch: Ort, Größe und Beschaffenheit des Gegenstands).

Zur Beschreibung der MTM-Grundbewegungen dienen Buchstaben-Zahlen-Kombinationen, z. B.:

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Die Maßeinheit für MTM-Zeiteinheiten (TMU = Time-Measurement-Unit) ist:

1 TMU = 1100.000 Stunde = 0,0006 min
16,7 TMU = 1 cmin

Vereinfachte Verfahren wurden aus dem MTM-Grundsystem abgeleitet, z. B.:

  • MTM-Standarddaten (MTM-SD):

    • Zeitbausteine werden zusammengefasst

    • Zeitwerte werden gerundet

    • Bewegungslängen werden geschätzt

  • MTM 2:

    • Reduzierung auf zehn Verrichtungselemente

  • MTM 3:

    • Reduzierung auf vier Bewegungskategorien.

 

06. Wie werden Prozesszeiten (Hauptzeiten) berechnet?

Prozesszeiten (auch: Hauptzeiten) sind Sollzeiten für automatisch ablaufende Abschnitte, die vom Menschen nicht beeinflussbar sind. Hauptnutzungszeiten th werden vorrangig bei der spanenden Bearbeitung als Grundlage zur Ermittlung der Vorgabezeit (für Betriebsmittel) verwendet.

Ausschnitt aus der Systematik „Belegungszeit TbB“:

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Die Grundformel der Hauptnutzungszeit thu ist:

 

$$t_{hu} = \frac{Arbeitsweg\; (Maße\; des\; Arbeitsgegenstandes)}{Arbeitsgeschwindigkeit\; des\; Werkzeugs}$$

Die Berechnung erfolgt mithilfe spezieller Formeln (Hauptnutzungszeit beim Drehen, beim Bohren, beim Fräsen usw.), die den einschlägigen Tabellenwerken entnommen werden können, vgl. z. B.: Friedrich Tabellenbuch, Bildungsverlag EINS, a. a. O., S. 7-4 ff. oder Tabellenbuch Metall, Europa Lehrmittel Verlag, a. a. O., S. 264 ff.

Berechnung der Hauptnutzungszeit (vereinfacht: th) beim Drehen:

Berechnungsgrößen:

th Hauptnutzungszeit

L Vorschubweg in mm

i Anzahl der Schnitte

n Drehfrequenz in min-1

d Werkstückdurchmesser in mm

 

f Vorschub je Umdrehung

l Werkstücklänge in mm

la Anlauf in mm

lu Überlauf in mm

Berechnung von L
Längs-RunddrehenQuer-Plandrehen
ohne Ansatzmit Ansatzohne Ansatzmit AnsatzHohlzylinder
L = 1 + 1a + 1uL = 1 + 1aL = d : 2 + 1aL = (d – d1) : 2 + 1aL = (d – d1) : 2 + 1a + 1u

Skizze: Längs-Runddrehen ohne Ansatz

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Beispiel

Berechnung von th beim Längs-Runddrehen ohne Ansatz

Ein Bolzen mit der Länge 160 mm wird bei einem Vorschub von 0,3 mm und einer Drehfrequenz von 1.000/min überdreht (la = lu = 2 mm).

Gesucht:

th = ?

Gegeben:

$$L = l + l_{a} + l_{u}$$, i= 1

$$= 160 mm + 2 mm + 2 mm$$, f = 0,3 mm

$$= 164 mm$$, n = 1.000 min-1

Berechnung:

 $$t_{h} = \frac{L \cdot i}{f \cdot n}$$

$$= \frac{164 \cdot 1}{0,3 \cdot 1.000} \cdot \frac{mm \cdot min}{mm \cdot 1} = 0,55\; min$$

 

07. Wie erfolgt das Schätzen und Vergleichen?

  • Schätzen ist das ungefähre Bestimmen von Sollzeiten auf der Basis von Erinnerung oder Erfahrung.

  • Vergleichen ist das Nebeneinanderstellen von Abläufen, um Unterschiede/Übereinstimmungen fest zu stellen.

Durch methodisches Vorgehen können Schätzfehler gering gehalten werden: Der gesamte Ablauf wird in kleine, überschaubare Abschnitte zerlegt, deren Sollzeit einzeln geschätzt wird.

Arbeitsschritte:

  1. Arbeitsaufgabe beschreiben.

  2. Ähnlichen Arbeitsablauf bereit legen (VergleichsunterlagenSystematische Vergleichsunterlagen (Zeitklassenverfahren) verbessern und erleichtern das Verfahren.).

  3. Arbeitsbedingungen vergleichen.

  4. Abweichungen hinsichtlich Arbeitsablauf und -gegenstand betrachten.

  5. Zu- und Abschläge für unterschiedliche Ablaufabschnitte festlegen.

  6. Einzelzeiten zur Sollzeit addieren.

Schätzen und Vergleichen ist eine wirtschaftlich vertretbare Methode der Sollzeitermittlung und wird bei Einzel- und Kleinserien, in der Instandhaltung sowie im Handwerk eingesetzt.

 

08. Was sind Planzeiten?

Die Ermittlung von Sollzeiten ist wirtschaftlich aufwändig. Daher ist man bestrebt, dass ermittelte Sollzeiten möglichst häufig wieder verwendet werden. Diesem Ziel dienen Planzeiten.

Planzeiten sind Sollzeiten für bestimmte Abschnitte, deren Ablauf mithilfe von Einflussgrößen beschrieben ist. Die ermittelte Planzeit ist nur so gut, wie ihre Beschreibung zutreffend ist.

Wirtschaftlich sinnvoll ist die Verwendung von Planzeiten dort, wo ähnliche aber nicht genau identische Ablaufabschnitte häufig vorkommen, z. B. in der Einzel- und Kleinserienfertigung.

Arbeitsschritte:

  1. Planzeitbereich (Arbeitssystem) abgrenzen.

  2. Verwendungszweck der Planzeiten fest legen.

  3. Planzeitbereich ordnen (ggf. vorher das Arbeitssystem optimieren → Arbeitsplatzgestaltung).

  4. Arbeitsabläufe gliedern und beschreiben; Bezugsmengen und Einflussgrößen erfassen.

  5. Zeiten ermitteln für:

    • Mikroabschnitte (durch SvZ oder Zeitstudien)

    • Makroabschnitte (durch Schätzen und Vergleichen oder Selbstaufschreibung).

  6. Planzeiten darstellen, z. B. in Planzeitkatalogen.