Inhaltsverzeichnis
01. Was ist die Prozesskostenrechnung?
Die Prozesskostenrechnung ist ein Kostenrechnungssystem, dass die Gemeinkosten von Vorgängen über Bezugsgrößen verrechnet, die sich an den Vorgangsmengen orientiert. Dadurch werden keine Einzelkosten verrechnet, sondern Folgen von Einzelleistungen, die zusammengefasst einen Prozess bilden. Man nennt die Prozesskostenrechnung darum auch Vorgangskalkulation.
Voraussetzung für die Implementation einer Prozesskostenrechnung ist, dass:
wiederholende Tätigkeiten als Basis für Prozesse identifiziert und analysiert sind
in dem Prozess relativ wenig Entscheidungen notwendig sind
zwischen den Kostentreibern und den durch sie verursachten Kosten ein proportionaler Zusammenhang besteht
Kostentreiber von den individuellen Produktions- und Verwaltungsgegebenheiten abhängen, sodass sie für das Unternehmen erfasst werden können
die Daten über Prozesse und Kosten detailliert vorliegen.
Merkmal der Gemeinkostenverrechnung ist, dass keine Kostenstellen oder ermittelbaren wertmäßigen Bezugsgrößen berücksichtigt werden, sondern die Prozesse und deren Anzahl. Die folgenden Ziele stehen im Mittelpunkt der Prozesskostenrechnung:
Transparenz im Gemeinkostenbereich durch Abbildung der Unternehmensprozesse
Planung und Steuerung der Programm- und Preispolitik, Entscheidungen über Eigen- und Fremdfertigung
Soll-Ist-Vergleiche zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit.
Die Einführung einer Prozesskostenrechnung bedingt die Definition von Prozessen. Prozesse sind die definierte Abfolge von Verrichtungen, die zueinander in Beziehung stehen. Kostenstellenübergreifende Prozesse erfordern die Gestaltung von Teilprozessen, die definiert und ggf. grafisch dargestellt werden.
Für die Ermittlung der Prozesskostensätze sind folgende Schritte notwendig:
Bestimmung der Prozesse.
Die Prozesse werden mittels Interview und Analyse mit den Kostenstellenverantwortlichen identifiziert.
Festlegung der Bezugsgrößen.
Die Bezugsgrößen sind für die Verrechnung der Gemeinkosten relevant. Sie können von der Leistungsmenge abhängig (induziert: lmi) oder neutral zur Leistungsmenge (lmn) sein. Die Bezugsgröße sollte folgende Qualität haben:
einfach ableitbar
verhältnisgleich zur Kostenverursachung sein
verhältnisgleich zur Leistungserstellung sein
eindeutig und klar.
Durch die Bezugsgröße wird sowohl die Kostenverursachung als auch die Leistungserstellung dokumentiert.
- Bildung von Prozesskostensätzen.
Der Prozesskostensatz ermittelt sich durch Divisionskalkulation wie folgt:
$$Prozesskostensatz\; =\; \frac{Prozesskosten}{Prozessmenge}$$
Dies wird in der folgenden Grafik von Jorasz dargestellt:
Kostenstelle Einkauf | Kostenstelle Warenannahme | Kostenstelle Qualitätsprüfung | Kostenstelle Lager |
Teilprozesse: Material einkaufen Hilf- und Betriebsstoffe einkaufen Geräte und Anlagen einkaufen Dienstleistungen einkaufen | Teilprozesse: Materiallieferung entgegennehmen | Teilprozesse: Prüfung für Werkstofftechnik durchführen Eingangsprüfung für Material durchführen Chemische Kontrollen durchführen | Teilprozesse: Hilf- und Betriebsstoffe lagern Material lagern Unfertige Erzeugnisse lagern Fertige Erzeugnisse lagern |
In Gesundheitsunternehmen, die stationäre Bereiche unterhalten, bietet es sich an, die Kosten der Leistungserstellungsprozesse heranzuziehen, zumal diese Kosten sich aus einem hohen Fixkostenanteil zusammensetzen.
Die Prozesskostenrechnung schafft durch die Tätigkeitsanalyse und Prozessbildung eine Leistungs- und Kostentransparenz in den Gemeinkostenbereichen, die im Rahmen des DRG-Systems enorm wichtig geworden ist.
02. Wie gehören betriebliche Funktionen und deren Kern- und Unterstützungsprozesse zusammen?
Dargestellt sind die Kernfunktionen eines Betriebes, die von den nichtwertschöpfenden Prozessen unterstützt werden. Unterstützungsprozesse (auch Supportprozesse) leisten keinen direkten Beitrag zur Wertschöpfung, sind aber die erforderlichen internen Bedingungen für einen kundenorientierten Wertschöpfungsprozess. Die Unternehmensleitung steuert und koordiniert die betrieblichen Prozesse.
03. Welche Funktionen sind an einem Fertigungsprozess z. B. in einem Sanitätshaus beteiligt?
Der Prozess der Leistungserstellung ist ein Kernprozess des Sanitätshauses. Je nach Größe und Art der Aufbaustruktur sind daran folgende Stellen/Funktionen eines Sanitätshauses beteiligt, wenn z. B. der Kundenwunsch nach einem Spezialrollstuhl in das Unternehmen gelangt.
Entwicklung und Konstruktion
Arbeitsvorbereitung
Materialwirtschaft und Werkzeuglager
Fertigung, Montage
Lager
Versand/Auslieferung.
Abschließend erhält der Kunde z. B. seinen individuellen Rollstuhl, der als Medizinprodukt nach MPG (Medizinproduktegesetz) auch qualitätsgeprüft wird. Das Sanitätshaus ist somit Hersteller und Inverkehrbringer von Rehaprodukten nach § 5 MPG.
04. Was ist eine Tätigkeitsanalyse?
Die Prozesskostenrechnung ist für wiederholende (repetitive) Tätigkeiten (= Prozesse) mit eigener Entscheidung anwendbar. Damit dies sichergestellt ist, ist eine intensive Tätigkeitsanalyse der betroffenen Kostenbereiche notwendig.
In Analysen mit den zuständigen Kostenstellenverantwortlichen sind die für einen festgelegten Zeitraum durchgeführten Tätigkeiten und die entsprechenden Zeiten zu ermitteln. Diese Tätigkeitsanalyse ist die Grundlage der Prozesskostenrechnung.
Nun lässt sich eine Prozessliste erstellen. Die Prozessliste jeder einzelnen Kostenstelle wird in Teilprozesse gegliedert und diese werden kostenstellenübergreifend zu Hauptprozessen zusammengefasst. Die Hauptprozesse sind die Grundlage für die Prozesskostenkalkulation. Diese Verdichtung erleichtert die Kalkulation.
Exemplarische Prozessübersicht: Aufnahme, Abrechnung von Bewohnern, die vollstationär gepflegt werden.
Teilprozess: Bearbeitung der Aufnahme in der Verwaltung einer Pflegeinrichtung
(Teil-) Prozessschritte:
Vorvertragliche Information
ggf. vor Aufnahme Kostenübernahme durch Sozialhilfeträger bzw. Pflegekasse beantragen, durch neuen Bewohner/Betreuer beantragen lassen
Ausstellen des Heimvertrages inkl. Entgelte und Zusatzleistungen
Vertrag zur Unterschrift an Heimleitung und neuen Bewohner geben
Freiheit von Infektionskrankheiten prüfen
Erfassung der Stammdaten, Verwaltungsakte anlegen
Pflegekasse/Sozialhilfe/Betreuer über Aufnahme informieren
Kostenübernahme durch PK mit Pflegestufe, Sozialhilfe erfassen
monatlich Abrechnungsdaten einpflegen
monatlich Zuzahlungen Selbstzahler bearbeiten
monatlich Rechnung über vollstationäre Pflege erstellen
monatlich Rechnung an PK, Forderungen/Einzahlung buchen
monatlich Rechnung an Selbstzahler, Forderung/Einzahlung buchen
monatlich Rechnung an Sozialhilfeträger, Forderungen/Einzahlung buchen.
Für jeden Prozessschritt kann mittels Methoden des REFA-Verbandes ein durchschnittlicher Zeit- und Wertmaßstab ermittelt werden, der zur Ermittlung eines Prozesskostensatzes taugt.
05. Was ist ein Kostentreiber?
Kostentreiber sind die bestimmenden Prozessgrößen, sie werden für alle Teil- und Hauptprozesse als diejenigen Größen identifiziert, welche die Inanspruchnahme der Prozessleistungen am besten beschreibt.
Diese als Kostentreiber („cost driver“) bezeichneten Größen stellen die Bezugsgrößen für die Verrechnung der Gemeinkosten dar.
Beispiel
Leistung/Prozess | Kostentreiber |
Beratungsgespräche führen | Anzahl Beratungsgespräche |
stationäre Aufnahme durchführen | Anzahl Aufnahmen |
Angebote erstellen | Anzahl Kreditangebote |
Kriterien für einen Kostentreiber:
einfach aus vorhandenen Informationsquellen abzuleiten
Proportionalität zur Ressourcenbeanspruchung.
Problem: Prozesskosten sind größtenteils fixe Gemeinkosten und daher nur langfristig veränderbar.