Wir schauen auf die Wirkungsweise und die einzelnen Arten der Konsolidierung, aus denen latente Steuern entstehen.
Man unterscheidet die einzelnen Gründe, die zur Entstehung der latenten Steuern (= deferred taxes) führen:
zeitliche
automatischer Ausgleich im Laufe der Zeit
bei IFRS relevant
permanente
kein Ausgleich im Laufe der Zeit
bei IFRS nicht relevant.
Es existieren zwei Arten in Abhängigkeit des Jahresüberschusses (JÜ):
aktive latente Steuern
wenn anfänglich JÜHandelsrecht < JÜSteuerrecht und
danach aber JÜHandelsrecht > JÜSteuerrecht
passive latente Steuern
wenn anfänglich JÜHandelsrecht > JÜSteuerrecht und
danach aber JÜHandelsrecht < JÜSteuerrecht
Latente Steuern sind verborgene Steuerlasten oder Steuervorteile, die sich aufgrund von Unterschieden im Ansatz oder in der Bewertung von Vermögensgegenständen oder Schulden zwischen der Steuerbilanz und der Handelsbilanz ergeben haben und die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen, das heißt in der Zukunft zu Unterschieden zwischen steuerlichen und handelsbilanziellen Gewinnen führen.
Aktive latente Steuern sollen zukünftige Steuervorteile (zukünftig steuerlich höheres Gewinnabzugspotential), passive latente Steuern zukünftige Steuerlasten (zukünftig steuerlich höheres Ertragspotential) abbilden.
Der Ansatz aktiver latenter Steuern lässt sich sehr gut an folgendem Beispiel erläutern.
Beispiel
Wie lauten die Ergebnisse der Handels- und der Steuerbilanz ohne die Verwendung von latenten Steuern und mit der Verwendung von latenten Steuern? Der Steuersatz der X AG liegt bei 30%.
Wir gehen folgende Fälle durch
ohne latente Steuern
damit der Leser sieht, wo das Problem liegt
nur aus didaktischen Gründen, denn bilanziell wird es ja gerade mit latenten Steuern gemacht
mit latenten Steuern
Zunächst zum Fall ohne latente Steuern
Im Jahr 01 erfolgt handelsrechtlich eine Aufwendung in Höhe von insg. 1.000 €. Steuerrechtlich hingegen schreibt man über vier Jahre ab, der steuerrechtliche Aufwand beträgt damit 250 €. Die nachfolgenden Überlegungen lassen sich durch folgende Tabelle besser erläutern.
Perioden 1 und 2 | Steuerrecht | Handelsrecht |
Ergebnis | 5.000 | 5.000 |
Aufwendung | 500 | 1.000 |
Ergebnis | 4500 | 4.000 |
Steuern | 1350 | 1350 |
Ergebnis nach Steuern | 3150 | 2650 |
Man sieht, dass die Ergebnisse der Handels- und der Steuerbilanz nach Verrechnung des Aufwands unterschiedlich sind. Das Steuerbilanzergebnis ist höher als das Handelsbilanzergebnis. Da die Steuer sich nach dem steuerbilanziellen Ergebnis bemisst, wird handelsbilanziell und steuerbilanziell dieselbe Steuer geschuldet und bezahlt. Das Ergebnis nach Steuern ist daher ebenfalls steuerbilanziell höher als handelsbilanziell. Im zweiten Jahr ist die Bilanzierung identisch.
Erst ab dem dritten Jahr treten Unterschiede auf. Handelsrechtlich wird über zwei Jahre abgeschrieben, d.h. das Ergebnis bleibt auch nach Steuern bei 5.000 €, steuerrechtlich allerdings wird weiterhin 250 € als Aufwand für Abschreibung angesetzt. Da handelsbilanziell kein Aufwand mehr angesetzt wird, kehren sich die Ergebnisse daher gerade um: das Handelsbilanzergebnis vor Steuern wird nun höher als das Steuerbilanzergebnis. Da die Steuern hierbei wieder gleich sind (denn die zu zahlende Steuer bemisst sich nach dem Steuerbilanzergebnis) ist ebenfalls das handelsbilanzielle Ergebnis nach Steuern mit 3.650 € höher als das Steuerbilanzergebnis nach Steuern mit 3.150 €. Die folgende Tabelle fasst diese Überlegungen zusammen:
Perioden 3 und 4 | Steuerbilanz | Handelsbilanz |
Ergebnis | 5.000 | 5.000 |
Aufwendung | 500 | - |
Ergebnis | 4500 | 5.000 |
Steuern | 1350 | 1350 |
Ergebnis nach Steuern | 3150 | 3650 |
Entscheidend ist also, dass das Steuerbilanzergebnis in den ersten beiden Perioden höher ist als das Handelsbilanzergebnis, was sich jedoch in den Perioden 3 und 4 genau umkehrt: das Handelsbilanzergebnis ist plötzlich höher als das Steuerbilanzergebnis. Es handelt sich daher um eine temporäre Differenz (= timing difference) nicht um eine permanente Differenz (= permanent difference). Dies bedeutet, dass aktive latente Steuern angesetzt werden.
Fall mit latenten Steuern
Rechnen wir nun also mit aktiven latenten Steuern. Man unterscheidet Steuern in
zahlbare Steuern, die sich nach der Steuerbilanz ergeben und die tatsächlich gezahlten Steuern bezeichnen und
latente Steuern, die den Unterschiedsbetrag angeben, zu dem was handelsbilanziell als Steuer gezahlt werden müsste (!), wenn das Handelsbilanzergebnis maßgeblich für die gesamten Steuern wäre (!)
Daher zunächst die folgende Tabelle, die die Behandlung der Handels- und Steuerbilanz unter Einbezug aktiver latenter Steuern in der Handelsbilanz angibt.
Perioden 1 und 2 | Steuerbilanz | Handelsbilanz |
Ergebnis | 5.000 | 5.000 |
Aufwendung | 500 | 1000 |
Ergebnis | 4500 | 4000 |
Steuern - zahlbar - latent | -1.350 - | -1.350 +150 |
Ergebnis nach Steuern | 3150 | 2800 |
Die zahlbaren Steuern von 1.350 € ergehen sich als 30 % vom steuerbilanziellen Ergebnis von 4.500 € und werden auch als solche in der Handelsbilanz angesetzt. Wenn jedoch das handelsbilanzielle Ergebnis von 4.000 € maßgeblich für die Bemessung der Steuer wäre (!), so würde man 0,3∙4.000 = 1.200 € als Steuer zahlen. Den Unterschiedsbetrag zwischen den tatsächlich zu zahlenden Steuern von 1.350 € und den fiktiv nach der Handelsbilanz zu zahlenden Steuern von 1.200 € bilden die aktiven latenten Steuern von 150 €, die hier mit „+“ angesetzt werden, da sie auf der Aktivseite verbucht werden.
Methode
Aktive latente Steuern werden gebildet, weil gewissermaßen zuviel Steuern gezahlt wurden (und also ähnlich einer Forderung angesetzt werden).
Passive latente Steuern werden gebildet, weil gewissermaßen zu wenig Steuern gezahlt wurden (daher wie eine Verbindlichkeit behandelt werden).
Halten wir außerdem fest, dass es zwei Möglichkeiten gibt, die latenten Steuern auszurechnen:
als Differenz der tatsächlichen Steuern und der fiktiv (!) nach Handelsrecht zu zahlenden Steuern,
0,3∙4.500 – 0,3∙4.000
= 1.350 – 1.200
= 150 € und als
Steuersatz∙Differenz der Jahresüberschüsse,
Steuersatz∙(steuerrechtlicher Jahresüberschuss – handelsrechtlicher Jahresüberschuss)
= 0,3∙(4.500 – 4.000)
= 500∙0,3
= 150 €.
Wenn aktive latente Steuern angesetzt werden, so müssen diese in den darauf folgenden Jahren wieder aufgelöst werden. Der Vermögenswert wird steuerbilanziell noch weitere drei Jahre abgeschrieben, d.h. in den folgenden beiden Jahren 3 und 4 kehren sich die Größenordnung zwischen handelsbilanziellem und steuerbilanziellem Ergebnis gerade wieder um; denn das Ergebnis der Handelsbilanz ist in den Jahren 3 und 4 mit 5.000 € höher als jenes der Steuerbilanz mit 4.750 €, wie die folgende Tabelle zeigt.
Perioden 3 und 4 | Steuerbilanz | Handelsbilanz |
Ergebnis | 5.000 | 5.000 |
Aufwendung | 500 | - |
Ergebnis | 4500 | 5000 |
Steuern - zahlbar - latent | -1.350 - | -1.350 -150 |
Ergebnis nach Steuern | 3150 | 3.500 |
Wieder ist für die zahlbaren Steuern allein das Steuerbilanzergebnis mit 4.500 € maßgeblich und daher wiederum 0,3∙4.500 = 1.350 € als zahlbare Steuern anzusetzen. Wäre nun wiederum das handelsbilanzielle Ergebnis maßgeblich für die Steuerzahlung, so wäre 5.000∙0,3 = 1.500 € zu bezahlen. Da allerdings nach dem Steuerbilanzergebnis lediglich 1.350 € tatsächlich zu zahlen sind, werden gewissermaßen 150 € zuwenig an Steuern bezahlt. Daher schreibt man in Tabelle 3.6 dann „-150 €“ und meint damit, dass die aktiven latenten Steuern von 150 + 150 = 300 € aus dem Ende der zweiten Periode über die beiden folgenden Perioden mit jeweils 150 € aufgelöst werden:
Perioden | Aufbau bzw. Abbau des Postens „aktive latente Steuern“ | Stand des Bilanzpostens „aktive latente Steuern“ |
1 | 150 | 150 |
2 | 150 | 300 |
3 | -150 | 150 |
4 | -150 | 0 |
Merke
Die -150 € latenten Steuern in den Perioden 3 und 4 lassen sich also auf zwei unterschiedliche Arten erklären:
- entweder als zu wenige gezahlten Steuern, denn nach Maßgabe der Handelsbilanz wären noch 150 € Steuern mehr zu zahlen, oder
- als Auflösung der aktiven latenten Steuern von 300 € über zwei Perioden.
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