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Beschaffungsprozess
Der Beschaffungsprozess soll die bedarfsgerechte und wirtschaftliche Versorgung mit Waren sicherstellen. Das Ziel des Beschaffungsprozesses ist es, das die richtige Ware (das Beschaffungsobjekt) in der korrekten Menge und zum passenden Zeitpunkt am richtigen Ort ist, in einer zufriedenstellenden Qualität und zu wirtschaftlichen Kosten.
Beschaffungslogistik und -prozess
Der Beschaffungsprozess kann unterschiedlich ablaufen. Dies hängt beispielsweise vom Gewerbe, der Größe des Unternehmens oder individuellen Präferenzen ab. Grundsätzlich kann allerdings folgende Gliederung festgehalten werden.
Bedarfsfeststellung
Der Bedarf kann beispielsweise dadurch ausgelöst werden, dass eine Anforderung im Rahmen eines Kundenauftrags gestellt wird. Manche Anforderungen werden allerdings auch regelmäßig oder wiederkehrend gestellt. Zudem besteht auch die Möglichkeit, dass sich ein Unternehmen darauf verständigt hat, eine gewisse Anzahl eines Beschaffungsobjektes immer vorrätig zu haben. Wenn diese Lagerkennzahl unterschritten wird, würde die Bedarfsdeckung gefordert.
Ermittlung von Bezugsquellen
Dies kann zum Beispiel über Suchmaschinen im Internet geschehen, über die Empfehlungen von Geschäftsfreund:innen oder auch durch den Besuch einer Fachmesse oder Ausstellung. Auch Fachverbände und Kammern stellen Informationen zu Verfügung oder gedruckte Branchenverzeichnisse, Zulieferkataloge oder Fachzeitschriften weisen potentielle Bezugsquellen auf.
Angebotseinholung
Bei der Angebotseinholung benötigt der oder die Beschaffende die Informationen, in welcher Qualität, zu welchem Termin und zu welchen Preisen und Zahlungsbedingungen die Ware bezogen werden kann. Die Anfrage, die an die Lieferant:innen gestellt wird, kann allgemein formuliert sein oder sich auf einen konkreten Bedarf beziehen. Bei einer allgemeinen Anfrage werden unverbindlich Informationen über bestellbare Waren und Preise angefordert. Liegt akuter Bedarf vor, muss eine konkrete Anfrage gestellt werden, die die benötigte Menge, die Bezeichnung der Ware, die Art der verlangten Eigenschaften und die Gestaltung der Lieferbedingungen nennt.
Angebotsvergleich
Um die Angebote miteinander zu vergleichen empfiehlt sich beispielsweise eine Nutzwertanalyse. Dazu wird jedem Kriterium eine Gewichtung zugeordnet. Solche, die als sehr wichtig angesehen werden, werden 10-fach gewichtet, durchschnittlich wichtige Kriterien werden 5-fach gewichtet und weniger wichtige Kriterien lediglich einfach. für die Erfüllung der Kriterien werden Punkte vergeben, die dann mit der Gewichtung des Kriteriums multipliziert werden. Dasjenige Angebot, mit der höchsten Punktzahl, sollte gewählt werden.
Vertragsverhandlungen und -abschluss
Um eine Verhandlung mit dem Lieferanten oder der Lieferantin ideal vorzubereiten, müssen sowohl inhaltliche als auch organisatorische Aspekte berücksichtigt werden. Inhaltlich ist eine Informationssammlung und -aufbereitung im Rahmen der Beschaffungsmarktforschung notwendig. Auch sollten die Verhandlungsziele und Argumentationsketten festgelegt werden. Zudem muss festgelegt werden, wer das Verhandlungsteam bildet und wer welche Rolle einnimmt. Organisatorisch müssen Aspekte, wie Ort und Zeit der Verhandlung beachtet werden.
Bei der Beschaffung handelt es sich in der Regel um einen Kaufvertrag, die Regelungen hierzu sind in den §§ 433 ff BGB zu finden. Handelt es sich um einen Werkvertrag sind die §§ 631 ff BGB zu beachten, bei einem Dienstvertrag die §§ 611 ff BGB.
Bestellung
Die Bestellung erfolgt mit Abschluss des Vertrags. Unmittelbar nach Erhalt der Lieferung wird deren Übereinstimmung mit der Bestellung geprüft. Auch muss kontrolliert werden, ob die Lieferung mit den Angaben auf dem Lieferschein übereinstimmen. Zudem müssen auch Transportschäden beachtet werden und überprüft werden, ob die Qualität der gelieferten Ware stimmt.
Rechnungsabwicklung
Wurde sich nicht auf einen Zahlungszeitpunkt geeinigt, muss der oder die Käufer:in direkt nach Erhalt der Lieferung zahlen. Es kann sich zuvor aber auch auf eine Vorauszahlung, Anzahlung, eine Zahlung nach Ablauf einer vereinbarten Frist oder eine Ratenzahlung geeinigt werden.
Bewertung der Lieferantenleistung
Bei der Bewertung sollten qualitative Kriterien, wie die Qualität des Produktes, die Termin- und Mengentreue und die Preisentwicklung bedacht werden. Bei den quantitativen Kriterien sollte auf die Kommunikation, die Kompetenz des Lieferanten beziehungsweise der Lieferantin, die Serviceleistungen und die Innovationsfähigkeit eingegangen werden.
Beschaffungsstrategien und -prinzipien
Mit der Beschaffungsstrategie kümmern sich Unternehmen darum, wie und woher sie ihre Produkte erhalten – sprich sie verteilen ihre Beschaffung auf einzelne Lieferanten. Ziel der Strategie ist, dass einerseits das Unternehmen mit allen nötigen Produkten bzw. Dienstleistungen versorgt ist.
Beschaffungsstrategie
Der Strategiebegriff ist langfristig und grundsätzlich ausgerichtet. Bei einer Strategie geht es überwiegend um qualitative Aspekte. Die Unternehmensstrategie ist eng mit dem Leitbild und den Visionen verbunden.
Der Begriff „Beschaffung“ kann die Beschaffungsmarktforschung, Lieferantenauswahl, Preisverhandlungen, Vertragsabschlüsse bis zur Bedarfsermittlung, Lagerhaltung und Materialflusskontrolle umfassen. Der Begriff „Beschaffung“ wird häufig mit „Einkauf“ gleichgesetzt.
Wenn beide Begriffe „Strategie“ und „Beschaffung“ kombiniert werden, dann bedeutet „Beschaffungsstrategie“, dass mit strategischen Beschaffungsmaßnahmen die Oberziele des Unternehmens erreicht werden. Dabei steht die Versorgung des Unternehmens mit Gütern an erster Stelle, da ohne „Input“ kein „Output“ erzeugt werden kann. Unterziele der strategischen Beschaffungsmaßnahmen können der kostenminimale Einkauf, Optimierung des Logistiksystems, die Sicherung der Qualität sowie die Reduktion von Abhängigkeiten gegenüber Lieferanten sein.
Mögliche Beschaffungsstrategien
Abschöpfung: Einkaufspreis stark reduzieren; aktives Auftreten bzgl. den Forderungen gegenüber dem Lieferanten (aber ohne durch Dominanz die Beziehung zu gefährden); geringe Lieferantenstreuung und niedrige Lagerbestände
Diversifikation: Vertragliche Sicherung des Versorgungsniveaus; neue Lieferanten suchen; Lagerbestände (situativ bei entsprechender Absatznachfrage) aufbauen.
Abwägung: Situativ günstige Einkaufsmöglichkeiten suchen und wahrnehmen; Lagerbestände als Puffer einbauen, um die situative Abhängigkeit zu reduzieren; hohe Flexibilität
Beschaffungsallianzen: Mehrere Unternehmen bündeln den Bedarf, um als Gesamtnachfrager gegen den Lieferanten auftreten zu können. Ein Vorteil liegt darin, die Nachfragemacht zu stärken und bessere Konditionen (z. B. Rabatte) zu erhalten.
Single-, Multiple-, Global- und Modular-Sourcing.
Beschaffungsprinzipien in der Materialwirtschaft
Vorratsbeschaffung: Größere Mengen werden beschafft und auf Lager genommen.
Einzelbeschaffung (auch auftragsbezogene Beschaffung): Fallweise wird das Material unmittelbar je nach Bedarf beschafft.
Fertigungssynchrone Beschaffung: Auf der Basis von Rahmenverträgen werden nur die unmittelbar benötigten Materialien abgerufen (Prinzip der Just-in-Time-Lieferung; JiT).
Fertigungssynchrone Beschaffung
Eine fertigungssynchrone Anlieferung (auch: Just-in-Time, JiT; Just-in-Sequenz) bezeichnet in der Produktionslogistik ein Konzept zur Materialbereitstellung, das auf die Verkleinerung der Zwischenlager und eine allgemeine Rationalisierung des Produktionsprozesses abzielt. Durch die Einsparung von Lagerhaltungsflächen und -kosten wird Just-in-Time indirekt auch zu einer unternehmerischen Methode zur Kostensenkung in der Materialwirtschaft und Beschaffungslogistik.
Just in Time hat folgenden Ablauf:
Güter werden von den Zulieferbetrieben erst bei Bedarf – zeitlich möglichst genau berechnet – direkt ans Montageband geliefert. Dazu wird mit einem gewissen Vorlauf die benötigte Menge vom Fließband zurückgemeldet und bestellt. Der Zulieferer muss sich vertraglich verpflichten, innerhalb dieser Vorlaufzeit zu liefern. Am Produktionsort selbst wird also nur so viel Material gelagert, wie unbedingt nötig ist, um die Produktion gerade noch aufrecht zu erhalten. Dadurch entstehen beim Produzenten nur direkt am Band sehr kleine Lagermengen und es entfallen längere Lagerungszeiten.
Just-in-Sequence stellt eine Modifikation von Just-in-Time dar. Bei Just-in-Sequence werden die Teile vom Teile-, Modul- oder Systemlieferanten in der Reihenfolge (sequence) angeordnet geliefert, wie die Teile in der Produktion verarbeitet werden. Die Mitarbeiter des OEM müssen die Teile nicht mehr ordnen. Somit stellt der Teile-, Modul- oder Systemlieferant Zeit- und Kostenvorteile beim OEM zur Verfügung.
Ziele des Konzepts "Just-in-Time"
Ziele: Just-in-Time (JiT) verfolgt als Hauptziel, alle nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten zu reduzieren. Jede Verschwendung und Verzögerung auf dem Weg „vom Rohmaterial bis zum Fertigprodukt an den Kunden“ ist auf ein Minimum zu senken. Teile und Produkte werden erst dann gefertigt, wenn sie – intern oder extern – nachgefragt werden. Das erforderliche Material wird fertigungssynchron beschafft.
Im Einzelnen kann dies bedeuten:
eine Minimierung der Wartezeiten, der Arbeitszeiten, der Rüstzeiten, der Losgrößen, der Qualitätsfehler, der Fertigungsschwankungen
schnellste Fehlerbearbeitung und präventive Instandhaltung.
Probleme können dann auftreten, wenn die Voraussetzungen von JiT nicht ausreichend beachtet werden, z. B.:
vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer
hohe Qualitätssicherheit und hoher Grad der Lieferbereitschaft des Lieferanten
Abstimmung zwischen Lieferant und Abnehmer (z. B. Strategie, Planung, Informationstechnologie, Bestandsführung)
Zugriff des Abnehmers auf das PPS-System des Lieferanten
kontinuierlicher Transport muss sichergestellt werden
Wirtschaftlichkeit der Transportkosten.
Risiken/Nachteile von JiT, z. B.:
Abhängigkeit vom Lieferanten; jeder Lieferverzug hat Störungen der Produktion zur Folge.
Die erhöhten Transportkosten müssen durch eine Reduzierung der Lagerhaltungskosten kompensiert werden.
ökologische Kosten der Logistik.
Kanban-System
Im Jahr 1947 wurde das Kanban-Prinzip ursprünglich von Taiichi Ohno bei Toyota in Japan entwickelt. Dabei handelt es sich um ein System nach dem Pull-Prinzip zur Steuerung des Materialflusses und der Produktion. Das Ziel ist eine nahtlose Materialversorgung in der Fertigung zu gewährleisten.
Kanban ist eine Methode der Produktionsprozesssteuerung. Das Vorgehen orientiert sich ausschließlich am tatsächlichen Verbrauch von Materialien am Bereitstell- und Verbrauchsort. Kanban ermöglicht eine Reduktion der lokalen Bestände von Vorprodukten in und nahe der Produktion, die dort in Produkten der nächsten Integrationsstufe verbaut werden.
Ziel der Kanban-Methode ist es, die Wertschöpfungskette auf jeder Fertigungs-/Produktionsstufe einer mehrstufigen Integrationskette kostenoptimal zu steuern. Dabei erfolgen die Entnahmen aus den jeweiligen Pufferlagern und das Nachliefern in dieselben Pufferlager asynchron. Durch das Verteilen der Pufferlager in der Produktion entlang der Integrationskette wird mit einfachen Mitteln der Information und mit kurzen Wegen des Transports eine einfache Lösung erreicht.
Vorteile gegenüber der zentralen Produktionssteuerung
In traditionellen, zentral gesteuerten Planungssystemen der Produktionssteuerung wird der gesamte Materialbedarf an einer zentralen Stelle bis ins kleinste Detail vorausgeplant. Die einzelnen Produktionsstellen haben kaum die Möglichkeit, bei Schwankungen im Durchsatz den Zufluss an Material zu beeinflussen. Diese Tatsache machte diese Systeme in herkömmlicher Organisation mit schwacher IT-Unterstützung unflexibel und im Falle kurzfristiger Änderungen der zu produzierenden Teile auch träge, da diese Änderungen weitreichende Folgen und einen hohen Koordinationsaufwand nach sich ziehen. Dies führt dazu, dass bei zentral geplanten Systemen eine hohe Vorratshaltung nötig ist, um die mangelnde Flexibilität zu kompensieren, was wiederum hohe Lagerhaltungskosten verursacht.
Im Gegensatz hierzu bietet die Kanban-Systematik ein hohes Anpassungspotenzial bei kurzfristigen Änderungen des Bedarfs, da mit dem Zur-Neige-Gehen eines benötigten Vorprodukts der Auftrag zur Nachproduktion zeitnah ausgelöst wird. Hier erfolgt die Informationsweiterleitung stets aktuell und somit angepasst an die momentane Bedarfssituation vom Verbraucher zum Produzenten oder zum Lieferanten. Dadurch lassen sich unnötige Lagerbestände drastisch reduzieren und die Durchlaufzeiten deutlich verkürzen.
Kanban stellt eine Möglichkeit für Unternehmen dar, die teilweise sehr aufwendige und verschachtelte Produktionssteuerung mit autonomen Regelkreisen zu bedienen, was den Steuerungsaufwand deutlich reduziert und die Transparenz der Prozesszusammenhänge erhöht. Im Vorfeld jedoch sind die lokalen Ketten und das Erzeugnisspektrum genau auf die Methode mit Kanban einzustellen. Wenn diese Vorbereitung erfüllt wird, ist Kanban besonders für Unternehmen mit relativ geringer Variantenvielfalt und relativ konstantem Verbrauch interessant, bei denen Lagerkosten ein großer Kostenfaktor sind.
Aber auch bei größerer Variantenvielfalt oder langen Lieferketten kann Kanban sinnvoll verwendet werden, wenn beispielsweise moderne Informationstechnik eingesetzt wird. Hier ist jedoch ein erheblich größerer Planungs- und Koordinationsaufwand nötig.
Ungeeignet ist Kanban für Einzelprodukte oder für Sonderaufträge oder gar Projektfertigung, da hier die benötigte Standardisierung des Produktionsprogramms nicht gegeben ist.
Durch das erreichte hohe Maß an Flexibilität und Liefertreue sind Just-in-Time-Aufträge mit Kanban leichter zu bewältigen als mit herkömmlichen Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen. Durch die gesteigerte Verantwortung und Qualifizierung innerhalb der Regelkreise kann die Motivation der Mitarbeiter erheblich gesteigert werden.
Ziele des Konzeptes "Kanban"
Ziel von Kanban-Systemen ist die Reduzierung von Lagerbeständen und damit Reduzierung von Kapitalbindung und eine Erhöhung der Flexibilität im Hinblick auf geänderte Bedarfsmengen. Dieses Ziel soll ohne Verluste von Lieferbereitschaft, ohne Verschlechterung von Ausschussquoten, ohne Erhöhung von Nacharbeit, zusätzlichen Transporten etc. erzielt werden. Dies alles soll dabei mit stark vermindertem Planungsaufwand erfolgen.
Die häufig beobachteten Verbesserungen im Bereich Lieferbereitschaft, Ausschussquoten, Nacharbeit etc. sind sekundäre Effekte.
Bedarfsrechnung
Der Materialbedarf einer Unternehmung ist mengengerecht, artgerecht und termingerecht zu decken, was eine möglichst genaue Ermittlung des Materialbedarfs erfordert. Bei der Ermittlung des Materialbedarfs können grundsätzlich zwei Verfahren angewendet werden, die entweder auf dem Produktionspogramm oder auf dem Materialverbrauch basieren. Die programmorientierte Materialbedarfsermittlung ist deterministisch, sie läßt sich in synthetische und in analytische Verfahren unterscheiden. Bei den analytischen Verfahren erfolgt die Materialbedarfsermittlung über die Stückliste, bei den synthetischen Verfahren erfolgt die Ermittlung des Materialbedarfs über die Teileverwendungsnachweise. Die verbrauchsorientierte Materialbedarfsermittlung ist stochastisch; sie erfolgt über Verfahren der Mittelwertbildung, der exponentiellen Glättung und der Regressionsanalyse.
Ausweis der in einer bestimmten Periode in der Fertigung (Leistungserstellung) benötigten Materialien, aufgeschlüsselt nach Art, Qualität, Menge und zeitlicher Struktur. Das Problem der Materialbedarfsplanung besteht darin, die laufende Versorgung kostenoptimal zu gewährleisten, d.h. zu vermeiden, dass der Materialverbrauch die verfügbaren Materialmengen übersteigt (Folge: Stillstands-, Leerkosten) oder unterschreitet (Folge: vermeidbare Kapitalbindungs- und Lagerhaltungskosten). Die Gegenüberstellung von Materialbedarf (Bruttobedarf) und Materialbestand zeigt den Beschaffungsbedarf (Nettobedarf; Beschaffungs- oder Bestellbedarf) auf. In qualitativer Sicht geht es um die Gestaltung des Materialsortiments.
Merke
Die Materialbedarfsermittlung (auch: Materialbedarfsplanung) ist ein Verfahren zur Ermittlung der in zukünftigen Perioden auftretenden Materialbedarfe nach Art, Menge, Qualität und Zeit.
Folgende Probleme sind hierbei zu lösen:
- genaue Spezifikaton der benötigten Materialqualitäten,
- Begrenzung der Materialarten und -qualitäten durch Massnahmen der Normung und Standardisierung (Folge: Straffung des Materialsortiments; Materialanalyse),
- Ermittlung von Substitutionsmöglichkeiten,
- Entscheidung für Eigenfertigung oder Fremdbezug (make or buy).
Bei gegebenem Materialsortiment basiert der quantitative Materialbedarf auf dem geplanten Produktionsprogramm, den vorliegenden Kundenaufträgen, den Ergebnissen der Arbeitsvorbereitung und dem Materialverbrauch der Vorperioden.
Entsprechend der Datenlage wird das Materialdispositionsverfahren gewählt:
- Ist das Produktionsprogramm für die Planungsperiode fixiert kann der im Planungszeitraum benötigte Materialbedarf über das deterministische Verfahren oder Programmsteuerung festgestellt werden und dessen zeitliche Verteilung.
- Können keine Aussagen über die Entwicklung des Primärbedarfs getroffen werden, muss der voraussichtliche Materialbedarf auf der Grundlage von Vergangenheitswerten geschätzt werden (Verbrauchssteuerung).
- Soweit mathematisch-statistische Verfahren zur Erstellung einer Materialbedarfsprognose eingesetzt werden, spricht man von stochastischer Bedarfsermittlung.
- Fehlt es an entsprechenden Daten, so muss der Entscheidungsträger auf intuitive Verfahren (heuristische Bedarfsermittlung) zurückgreifen.
Materialbedarfsarten | |||||
Primärbedarf | Sekundärbed. | Tertiärbed. | Bruttobed. | Nettobed. | |
Ansatz | erzeugnisorientiert | bedarfsorientiert | bestandsorientiert | ||
Begriff, Inhalt | Bedarf des Marktes an verkaufs- fertigen Erzeugnissen | Bedarf an Rohstoffen, Baugruppen und Ersatzteilen, der zur Deckung des Primärbedarfs erforderlich ist | Bedarf an Hilfs- und Betriebs-stoffen sowie Verschleiß-werkzeugen, der bei der Fertigung notwendig ist | Materialbedarf ohne Berück-sichtigung von Vorräten, Bestellungen und Vormerkungen | Materialbedarf nach Abzug von Vorräten, Bestellungen und Vormerkungen |
Basis der Bedarfs-ermitt- lung | Kunden-, Lageraufträge, Programme | Stücklisten, Rezepturen | ergibt sich aufgrund von Vergangenheits-werten | aus Sekundär-bedarf | aus Sekundär-bedarf, Material-bestand und Bestellbestand |
Bei- spiele | Erzeugnisse, Zubehör, Ersatzteile, Handelswaren | Rohstoffe, Halbzeuge, Komponenten, Baugruppen | Verschleißwerk-zeuge, Verbrauchs-material, Schmiermittel | Rohstoffe, Halbzeuge, Komponenten, Baugruppen |
Nettobedarf
Der Nettobedarf wird aus dem Sekundärbedarf ermittelt:
Sekundärbedarf | Bedarf an Rohstoffen, Baugruppen, Ersatzteilen – abgeleitet aus dem Primärbedarf | |
+ | Zusatzbedarf | Ungeplanter Bedarf aufgrund von Mehrbedarf für
|
+ | Sicherheitsbedarf | Bestand für Versorgungs-, Bestands-, Bedarfsunsicherheiten |
= | Bruttobedarf | Bedarf, der sich aus Sekundär- und Zusatzbedarf ergibt |
– | Lagerbestände | Bestände, die auf Lager tatsächlich vorhanden sind |
– | Bestellbestände | Bestellungen, die in Kürze eintreffen werden |
+ | Vormerkbestände | Bestände, die für andere Aufträge vorgemerkt sind |
= | Nettobedarf | Bedarf, der von den beschaffenden Stellen zugekauft werden muss, um den Primärbedarf zu decken |
Beschaffungszeit
Beschaffungszeit ist in der Materialwirtschaft, insbesondere in der Materialbedarfsermittlung, die Zeitspanne zwischen der Erteilung einer Bestellung oder eines Auftrags für eine Ware und der Verfügbarkeit dieser Ware.
Als Wiederbeschaffungszeit wird die Zeit gerechnet, die benötigt wird von der Bestellauslösung bis zum Eintreffen / Verfügbarkeit des Materials im Lager.
Bedarfsrechnungszeit | Zeit, die benötigt wird, den Bedarf unter Zuhilfenahme der jeweiligen Bedarfsrechnungsverfahren zu bestimmen. | |
+ | Bestellabwicklungszeit | Zeit, die der Einkauf benötigt, um eine rechtsverbindliche Bestellung an den Lieferanten zu übermitteln. |
+ | Übermittlungszeit zum Lieferanten | Zeit, die benötigt wird, um die Bestellung an den Lieferanten zu übermitteln. |
+ | Lieferzeit | Zeit zwischen dem Auftragseingang beim Lieferanten und der Anlieferung beim Kunden. |
+ | Ein-, Ab- und Auslagerungszeit | Zeit, die benötigt wird, um die angelieferte Ware der weiteren Verarbeitung zuzuführen. |
= | Wiederbeschaffungszeit |
Analytische Materialbedarfsauflösung
Die analytische Materialbedarfsauflösung dient der Ermittlung des Nettobedarfes, die mithilfe von Baukastenstücklisten und Strukturstücklisten erfolgen kann, nicht dagegen unter Verwendung von Mengenstücklisten. Sie wird im Rahmen der programmbezogenen Materialbedarfsplanung eingesetzt.
Fertigungsstufen-Verfahren: Das Fertigungsstufen-Verfahren, bei dem die Teile des Erzeugnisses in der Reihenfolge der Fertigungsstufen aufgelöst werden. Es wird auch Baustufen-Verfahren genannt. Dieses Verfahren ist nur anwendbar, wenn keine Teile vorhanden sind, die auf den verschiedenen Fertigungsstufen vorkommen.
Renetting-Verfahren: Das Renetting-Verfahren, das in der Lage ist, einen Mehrfachbedarf in verschiedenen Erzeugnissen und / oder Fertigungsstufen zu berücksichtigen. Dabei erfolgt die Bedarfsermittlung für ein Mehrfachteil entsprechend oft, wobei jeweils der bis dahin entstandene Bedarf zu berücksichtigen ist. In der Praxis hat es geringe Bedeutung.
Dispositionsstufen-Verfahren: Das Dispositionsstufen-Verfahren, das anwendbar ist, wenn einzelne Teile in mehreren Erzeugnissen und / oder in verschiedenen Fertigungsstufen vorkommen. Damit jedes Teil aber nur einmal aufgelöst werden muss, werden alle gleichen Teile auf die unterste Verwendungsstufe heruntergezogen, die als Dispositionsstufe bezeichnet wird.
Gozinto-Verfahren: Das Gozinto-Verfahren, bei dem mathematische Methoden zur Bedarfsermittlung eingesetzt werden. Die Grundlage bildet der Gozinto-Graph, der die Zusammensetzung der Erzeugnisse darstellt.
Gozinto-Graph
Der Gozintograf ist eine Visualisierung von Konstruktionszusammenhängen. Er zeigt dabei in Diagrammform, welche Rohstoffe in welche Zwischenfabrikate und welche Zwischenfabrikate und Rohstoffe in welche Endprodukte in welcher Menge eingehen. Die Mengenzusammenhänge werden durch Pfeile mit Mengenangaben dargestellt. Ferner ist der Gozintograf hierarchisch gegliedert.
Gleitende Mittelwert vs. gewogene gleitende Mittelwert
Gleitender Mittelwert:
i = 1, …, n n = Anzahl der Perioden Ti = Materialbedarf der einzelnen Perioden Ungerade Ordnung:
Die Beobachtungen (z. B. von drei Perioden) werden addiert (3er gleitender Durchschnitt) und durch 3 dividiert. Der berechnete Durchschnittswert wird in der zweiten Periode positioniert. Dann rückt man eine Position weiter („gleitend“) und berechnet von der zweiten bis zur vierten Position den Durchschnittswert. Dieser ermittelte Durchschnittswert wird bei Position 3 dokumentiert.
Gerade Ordnung:
Die Beobachtungen (z. B. von fünf Perioden) werden addiert (4er gleitender Durchschnitt). Dabei wird die erste und fünfte Position mit 0,5 gewichtet. Es wird durch 4 dividiert. Der berechnete Durchschnittswert wird bei Position 3 dokumentiert. Dann rückt man eine Position weiter und das Verfahren wiederholt sich.
Gewogener gleitender Mittelwert:
i = 1, …, n n = Anzahl der Perioden Ti = Materialbedarf der einzelnen Perioden Gi = Gewichtung der einzelnen Perioden
Exponentiellen Glättung 1. Ordnung
i | = 1, …, n |
Vn | = neue Vorhersage |
Va | = alte Vorhersage |
Ti | = tatsächlicher Bedarf der abgelaufenen Periode |
α | = Glättungsfaktor |
Bestelltermin- und Bestellmengenrechnung
Die verbrauchsgesteuerte Disposition orientiert sich an den Verbräuchen aus der Vergangenheit. Die Verfahren der verbrauchsgesteuerten Disposition sind in ihrer Handhabung einfache Verfahren der Bedarfsplanung. Der zukünftige Nettobedarf wird aus den Vergangenheitswerten mit Hilfe statistischer Verfahren berechnet. Angewendet wird die verbrauchsgesteuerte Disposition vorzugsweise für Bereiche ohne eigene Fertigung oder für die Disposition von B- und C-Teilen (gemäß ABC-Analyse) sowie für Hilfs- und Betriebsstoffe.
Zu den gängigen Dispositionsverfahren der verbrauchsgesteuerten Disposition zählen:
- Das Bestellpunktverfahren
- Die stochastische Disposition
- Die rhythmische Disposition
Bestellpunktverfahren
Das Bestellpunktverfahren ist ein Verfahren zur Bestimmung des Bestellzeitpunktes und der Bestellmenge von Waren. Durch dieses Verfahren wird sichergestellt, dass sich immer Waren auf Lager befinden
Merke
Die optimale Bestellmenge ist die Bestellmenge bei der die Summe aus Lagerhaltungskosten und Bestellkosten minimal sind.
Stochastische Disposition
Die stochastische Disposition ermittelt in regelmäßigen Abständen aus den Verbräuchen der Vergangenheit den zukünftigen Bedarf mittels statistischer Modelle. Solche Modelle können sein:
- gewogener (gleitender) Mittelwert
- Exponentielle Glättung 1. Ordnung und 2. Ordnung
- Lineare Regression
Rhythmische Disposition
Bei der rhythmischen Disposition wird die Bestellung innerhalb konstanter Zeiträume ausgelöst.
Berechnung Andler´sche Formel
Optimale Bestellmenge xopt = Wurzel aus dem doppelten Produkt aus Bestellkosten kB mal Jahresbedarf xges geteilt durch Einstandspreis EP mal Lagerhaltungskostensatz iL (wobei 0< iL <1).
Expertentipp
Schreibweise wie in der DIHK-Formelsammlung; in Textbänden meist 200 statt 2; dann wird aber als iL der Lagerhaltungskostensatz in Prozentpunkten eingesetzt statt wie hier als Dezimalwert, was zum gleichen Ergebnis führt
Beispiel
Jahresbedarf 24.000 Stück; Kosten pro Bestellung 60 €; Einstandspreis 50 €; Lagerhaltungskostensatz 25%.
1. Schritt: 2 x 60 x 24.000 = 2.880.00
2. Schritt: 50 x 0,25 = 12,5
3. Schritt: 2.880.000 / 12,5 = 230.400
4. Schritt: Quadratwurzel aus 230.400 = 480
Beschaffungsmengenoptimierung unter Anwendung des gleitenden Bestellmengenverfahrens: Die Ermittlung der optimalen Bestellmenge erfolgt in einem schrittweisen Rechenprozess, in dem die Summe der anfallenden Bestell- und Lagerhaltungskosten pro Mengeneinheit für jede einzelne Periode ermittelt wird. Die Kosten werden für jede Periode miteinander verglichen. In der Periode mit den geringsten Kosten wird die Rechnung abgeschlossen. Der bis dahin aufgelaufene Bedarf ist die optimale Beschaffungsmenge.
Beschaffungsmengenoptimierung unter Anwendung des Kostenausgleichsverfahrens: Rechnerisch erfolgt die Ermittlung der optimalen Beschaffungsmenge, indem die kumulierten Lagerhaltungskosten stufenweise für jede Periode ermittelt werden, bis sie in ihrer Höhe den Bestellkosten (im Wesentlichen) entsprechen (Kostenausgleich). Der bis dahin ermittelte kumulierte Nettobedarf stellt die optimale Bestellmenge dar.
Die optimale Bestellmenge ist die Menge, bei der die Summe der Bestell- und Lagerkosten pro Mengeneinheit ihr Minimum hat.
Sicherheitsbestand
Der Sicherheitsbestand (auch: eiserner Bestand, Mindestbestand, Reserve) ist der Bestand an Materialien, der normalerweise nicht zur Fertigung herangezogen wird. Er stellt einen Puffer dar, der die Leistungsbereitschaft des Unternehmens bei Lieferschwierigkeiten oder sonstigen Ausfällen gewährleisten soll.
Er dient zur Absicherung von Abweichungen, verursacht durch
Verbrauchsschwankungen
Überschreitung der Beschaffungszeit
quantitative Minderlieferung
qualitative Mengeneinschränkung
Fehler innerhalb der Bestandsführung
Ausfall eines Lieferanten.
Welche Folgen können aus einem zu ungenau bestimmten Sicherheitsbestand entstehen?
Fall 1: | Der Sicherheitsbestand ist im Verhältnis zum Verbrauch zu hoch: → Es erfolgt eine unnötige Kapitalbindung. |
Fall 2: | Der Sicherheitsbestand ist im Verhältnis zum Verbrauch zu niedrig: → Es entsteht ein hohes Fehlmengenrisiko. |
Der Sicherheitsbestand kann bestimmt werden:
aufgrund subjektiver Erfahrungswerte
mithilfe grober Näherungsrechnungen:
durchschnittlicher Verbrauch je Periode mal Beschaffungsdauer
errechneter Verbrauch in der Zeit der Beschaffung plus Zuschlag für Verbrauchs- und Beschaffungsschwankungen
längste Wiederbeschaffungszeit minus herrschende Wiederbeschaffungszeit mal durchschnittlichem Verbrauch je Periode
arithmetisches Mittel der Lieferzeitüberschreitung je Periode mal durchschnittlichem Verbrauch je Periode
mathematisch (Fehlerfortpflanzungsgesetz)
durch Festlegung
einer pauschalen Sicherheitszeit
eines konstanten Sicherheitsbestandes
eines konstanten Sicherheitsbestandes nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz
statistische Bestimmung des Sicherheitsbestandes: Sicherheitsfaktor für unerschiedliche Servicegrade mal mittlere absolute Abweichung.
Feinabruf
In der betrieblichen Praxis wird beispielsweise bei der Just-in-Time Fertigung häufig ein Rahmenvertrag über die Lieferung bestimmter Materialien geschlossen. Der konkrete Abruf der einzelnen Materialien erfolgt dann nach Bedarf und wird dann jeweils konkretisiert oder auch verfeinert, daher Feinabruf.
Dies erfordert jedoch eine sehr enge Zusammenarbeit mit den Lieferanten über EDV-gestützte Systeme sogenannte EDI-Systeme. Zudem sind die optimale Bestellmenge und der Lieferzeitpunkt nur bei Fernabruf voneinander unabhängig.
Merke
Feinabrufe dienen dem zeitnahen, oft minutengenauen Abruf von Lieferungen bei einem Lieferanten mit dem ein Kontrakt in Form eines Lieferplans besteht.
Typischerweise sind die Zeitangaben bindend und nicht mehr änderbar. Im Automotive-Sektor werden diese Abrufe per EDI abgewickelt und mit dem EDI-Nachrichtenformat nach VDA-Empfehlung 4915 versendet.