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Wir erklären die folgenden Überlegungen anhand eines Beispiels:
Beispiel
In einer Urne liegen 17 Kugeln. Von diesen sind sechs weiß und elf grau. Bei den weißen Kugeln haben vier den Buchstaben A, der Rest den Buchstaben B. Sechs der grauen Kugeln tragen den Buchstaben A, der Rest hat B als Aufschrift.
Nun werde eine Kugel gezogen, die den Buchstaben A trägt.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kugel grau ist?
Wir haben es mit sog. bedingten Wahrscheinlichkeiten P(A|B) zu tun. Das Ereignis B (mit P(B) > 0) sei bereits passiert. Wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass dann A eintritt?
Aufgaben mit bedingten Wahrscheinlichkeiten lassen sich mit fünf unterschiedlichen Methoden angehen:
Methode
- Erste Methode: Definition
- Zweite Methode: Vierfeldertafel
- Dritte Methode: Bayessche Formel
- Vierte Methode: Bäumchen
- Fünfte Methode: Einschränkung der Grundgesamtheit
Kommen wir zum Beispiel und erklären die fünf Methoden anhand desen. Zunächst malt man die Urne auf und markiert die Farben sowie die Buchstaben auf die Kugeln:
Nun zu den einzelnen Methoden:
Erste Methode: Definition
Die bedingte Wahrscheinlichkeit von A unter der Hypothese B, in Zeichen P(A|B), ist definiert als P(A|B) =${P(A \cap B)\over{P(B)}}$ , wenn P(B) > 0.
Berechne also zuerst die Wahrscheinlichkeit des Schnitts und dann die Wahrscheinlichkeit des hinten stehenden Ereignisses.
Man rechnet im vorliegenden Beispiel also
P(G|A) =${P(A \cap B)\over{P(B)}} ={{6\over{17}}\over{10\over{17}}} = {6\over{17}}\cdot {17\over{10}} ={6\over{10}}$ = 0,6.
Sechs von 17 Kugeln sind gleichzeitig grau und tragen den Buchstaben A, daher P(G $\cap$ A) = 6/17. Man muss hier von allen 17 Kugeln den Anteil jener berechnen, die grau sind und A als Aufschrift haben! Genau so sind zehn Kugeln von 17 mit dem Buchstaben A versehen, d.h. P(A) = 10/17.
Video: Bedingte Wahrscheinlichkeiten berechnen
Zweite Methode: Vierfeldertafel
A | $\overline{A}$ | Σ | |
B | P(A $\cap$ B) | P($\overline{A}$ $\cap$ B) | P(B) |
$\overline{B}$ | P(A $\cap$ $\overline{B}$ ) | P($\overline{A}$ $\cap$ $\overline{B}$ ) | P($\overline{B}$) |
Σ | P(A) | P($\overline{A}$) | 1 |
In der Tabelle selbst stehen die „Und-Wahrscheinlichkeiten“, nicht die bedingten Wahrscheinlichkeiten selbst! Mit diesen kann man dann in die Definition unter 1. gehen.
Die Vierfeldertafel (die bei mehr als zwei Ausprägungen pro Merkmal natürlich eine Sechsfelder- oder Achtfeldertafel usw. ist), lautet
A | B | Σ | |
W | 4/17 | 2/17 | 6/17 |
G | 6/17 | 5/17 | 11/17 |
Σ | 10/17 | 7/17 | 1 |
Z.B. ist P(W $\cap$ B) die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Kugel gleichzeitig weiß ist und den Buchstaben B trägt. Hiervon gibt es zwei Stück, also P(W $\cap$ B) = 2/17. Mit der Vierfeldertafel lässt sich dann die Definition anwenden:
P(G|A) =${P(G \cap A)\over{P(A)}} ={{6\over{17}}\over{10\over{17}}} = {6\over{17}}\cdot {17\over{10}} ={6\over{10}}$ = 0,6.
Merke
Es ist P(G|A) ≠ P(A|G)!
Die Ereignisse lassen sich also nicht einfach umdrehen!
die Wahrscheinlichkeit, dass eine graue Kugel den Buchstaben A trägt, ist P(A|G) = 6/11 = 0,5455
hingegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kugel mit dem Buchstaben A grau ist, P(G|A) = 6/10 = 0,6.
Video: Bedingte Wahrscheinlichkeiten berechnen
Dritte Methode: Bayessche Formel
Methode
P(A|B) = ${{P(B|A)\cdot{P(A)}}\over{P(B)}}$ Bayessche Formel.
Wenn also die umgekehrte Wahrscheinlichkeit P(B|A) bekannt ist und P(A|B) gesucht, dann lässt sich die Bayessche Formel anwenden. Für den Nenner P(B) benutzt man den Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit, wenn P(B) nicht bekannt ist. Man rechnet
P(G|A) = ${{P(A|G)\cdot{P(G)}}\over{P(A)}} = {{6\over{11}}\cdot {11\over{17}}\over{10\over{17}}} = {6\over{17}}\cdot {17\over{10}} ={6\over{10}}$ = 0,6.
Methode
Wenn P(G|A) gesucht ist, aber lediglich die „umgedrehte“ Wahrscheinlichkeit P(A|G) bekannt, ist die Bayessche Formel eine gute Möglichkeit, zur Lösung zu gelangen.
Video: Bedingte Wahrscheinlichkeiten berechnen
Vierte Methode: Bäumchen (inkl. Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit)
Oftmals die anschaulichste Methode. Hilfreich insbesondere für den Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit. P(A) = P(A|B)·P(B) + P(A|$\overline{B}$)·P($\overline{B}$), wenn man die Grundgesamtheit lediglich in zwei Ereignisse B und sein Komplement einteilt. Man multipliziert also die Wahrscheinlichkeiten auf den Ästen, die zu A führen auf und addiert die Stränge.
Die Möglichkeit, sich Bäumchen aufzumalen, dient der Anschaulichkeit und ist ein Hilfsmittel für den Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit:
Man rechnet
P(G) = P(G|A)·P(A) + P(G|B)·P(B)
= ${6\over{10}}\cdot {10\over{17}} + {5\over{7}}\cdot {7\over{17}} = {6\over{17}} + {5\over{17}} = {11\over{17}}$
man multipliziert entlang der Stränge und
addiert die relevanten Zahlen auf.
Fünfte Methode: Einschränkung der Grundgesamtheit
Oftmals sieht man intuitiv das Ergebnis für P(A|B). Hierfür betrachtet man ausschließlich Elemente, für die B gilt. Diese seien nun die neue (kleinere) Grundgesamtheit. Von diesen werden jene Elemente gezählt, für die A gilt. Mathematisch nichts anderes als die Definition, d.h. Methode 1, aber anschaulich manchmal klarer.
Merke
man beachte den Unterschied zwischen
P(A $\cap$ B) (die Wahrscheinlichkeit, dass A und B eintreten) und
P(A|B) (die Wahrscheinlichkeit, dass A eintritt, wenn B bereits passiert ist).
P(G|A) bedeutet: wie viele von den Kugeln mit dem Buchstaben A (= Hypothese, Voraussetzung) sind grau (= Ereignis)? Wir betrachten also lediglich jene Kugeln, die ein A tragen:
Von diesen zehn Kugeln sind sechs graue dabei, also ist P(G|A) = 6/10.
Zusammenfassung
Merke
Die fünf Methoden sind nicht wirklich verschieden voneinander. So ist z.B. die fünfte identisch zur ersten. Methode 2 ist eine Veranschaulichung und geht in Methode 1, der Definition, auf. Die Bayessche Formel, Methode 3, wiederum bedient sich ebenfalls der Zahlen aus Methode 2.
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